Storno beim neuen Sturmgewehr

Streit um das Patentrecht

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Trotz Corona – die Ausgaben für Rüstung steigen kontinuierlich, doch die Beschaffungspannen werden nicht weniger. Nun steht der gerade erteilte Auftrag für Sturmgewehre in der Kritik. So fragwürdig die meisten Rüstungsentscheidungen unter ihrer Vorgängerin Ursula von der Leyen auch gewesen sein mögen – unter Führung von Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU) gelingt es dem Verteidigungsministerium, noch eins drauf zu setzen.

Nun wurde der Mitte September erteilte Auftrag zur Fertigung eines neuen Standard-Sturmgewehres gestoppt. Gewinner der Ausschreibung war die Firma C.G. Haenel. Sie sollte zunächst 120 000 MK 556-Gewehre liefern. Volumen alles in allem: Gut 600 Millionen Euro. Obgleich Haenel versicherte, die Waffen würden in der traditionellen Suhler Waffenschmiede gefertigt, besteht nicht nur daran erheblicher Zweifel. Haenel gehört einer Holding aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Damit wäre es wohl so gut wie unmöglich, Exporte in die Golf-Krisenregion zu unterbinden.

Das jetzt abgebrochene Vergabeverfahren hatte bereits 2017 begonnen, nachdem Klagen zur Treffsicherheit des bisherigen Standard-Sturmgewehrs G36 laut wurden. Obgleich Hersteller Heckler&Koch das heftig bestritt, wurde 2017 ein Vergabeverfahren in Gang gesetzt, bei dem der schwäbische Waffenproduzent mit seinem neuen HK 416 leer ausging. H&K, seit über 60 Jahren Profiteur von Bundeswehr-Aufträgen, protestierte. Offenbar erfolgreich, denn das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr hob die Entscheidung zugunsten von C.G. Haenel auf. Das übergeordnete Verteidigungsministerium teilte mit, man habe »erstmalig nachprüfbar von einer möglichen Patentrechtsverletzung durch die Firma C.G. Haenel Kenntnis erlangt«. Nun werde es eine »Neubewertung der Angebote unter Berücksichtigung aller Aspekte« geben.

Es wäre höchst verwunderlich, wenn Heckler&Koch nicht Hoflieferant der Bundeswehr bleibt. In den Regierungsfraktionen CDU, CSU und SPD herrscht Entsetzen. Der Grünen-Verteidigungs- und Haushaltspolitiker Tobias Lindner spricht von einer »gigantischen Blamage« und fordert, dass das Verteidigungsministerium »nun unverzüglich transparent macht, ob und in welcher Höhe ein Schaden entstanden ist und wo die Verantwortung liegt« – und dazu personelle Konsequenzen.

Die Sturmgewehr-Stornierung ist nur ein Problem von vielen. Ende September wurde die Beschaffung eines schweren Transporthubschraubers »geerdet«, nachdem die US-Konzerne Boeing und Sikorsky sich ein jahrelanges Anbietergefecht geliefert hatten. Ungeklärt ist der Ersatz für die Tornado-Jagdbomber, nicht aufgearbeitet die Schlamperei rund um die Reparatur des Segelschulschiffes »Gorch Fock«. Neue Fregatten werden ebenso unpünktlich, dafür aber mit verminderten Fähigkeiten ausgeliefert und das Heer muss sich – weil der hochgelobte neue Schützenpanzer »Puma« nicht die verlangte Leistung bringt – mit Provisorien beim Vorgängertyp »Marder« herumschlagen. Schließlich will man demnächst die Führung der neuen Nato-Speerspitze in Osteuropa übernehmen.

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