Koalitionspartner sieht Polizeistudie kritisch

Niedersachsen: CDU fordert von SPD-Innenminister Pistorius »hartes Durchgreifen« gegen Extremisten

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

»Abschiebeminister« und Hardliner wurde Uwe Schünemann nicht selten betitelt, als er zu schwarz-gelben Zeiten bis zur Regierungswende 2013 in Niedersachsen das Innenressort leitete. Mittlerweile ist er Fraktionsvizechef seiner Partei im Landtag. Seinem Ruf als Verfechter eines harten Kurses machte der Christdemokrat wieder mal alle Ehre, als er jetzt den Wunsch seines Amtsnachfolgers Boris Pistorius (SPD) nach einer Studie zum Rechtsextremismus bei der Polizei in einer Presseerklärung kommentierte.

Wer immer nur Studien fordere, dem fehle der Mut zum Handeln, schulmeistert der CDU-Mann den obersten Sicherheitspolitiker des Koalitionspartners. »Wir erwarten von einem Innenminister schnelles und hartes Durchgreifen«, betont Schünemann. Seine Fraktion lehne eine Studie ab, die »nur eine einzige Gruppe von Beamten betrachtet und stigmatisiert«. Zugleich ruft der Christdemokrat nach »Maßnahmen«, um potenzielle Extremisten im öffentlichen Dienst zu identifizieren.

Schünemanns Vorstellungen, wie sich das realisieren lassen könnte, sind nicht neu. Er will eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz, wenn es um Bewerber für Sicherheitsbehörden, Justiz und Bildungseinrichtungen geht. Irgendwie erinnert das an die finsteren Zeiten des Radikalenerlasses, der so manche Hoffnung auf eine Anstellung als Lehrerin oder Lehrer zerstörte, weil die oder der Betroffene irgendwann in den Akten des Inlandsgeheimdienstes gelandet war und die »Regelabfrage« dies zutage gefördert hatte.

Zu den von Schünemann goutierten Instrumenten zum Enttarnen mutmaßlicher Extremisten gehört offensichtlich auch das Anschwärzen »Verdächtiger« durch Kollegen. Wünscht er sich doch »die Einrichtung einer verwaltungsinternen unabhängigen Meldestelle«. Solch eine Denunzierungs-Institution lehnt der Bündnispartner SPD jedoch ab. Die Sprecherin der Partei für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, Wiebke Osigus, kommentiert Schünemanns Gedanken: »Wir setzen auf einen gemeinsamen Korpsgeist statt auf Misstrauen und gegenseitiges Bespitzeln.« Die SPD vertraue auf die Eigenverantwortung und die persönlichen Haltungen der Beamtinnen und Beamten, die mit Blick auf ihren Dienst einen Eid geleistet haben.

Die derzeit diskutierte Studie unterstelle keinen Generalverdacht und sorge auch nicht für Stigmatisierung, weist Osigus die Vorwürfe Schünemanns zurück. Stattdessen werde die Untersuchung Klarheit und Vertrauen schaffen und einen Überblick, »ob Handlungsbedarf besteht«.

Sowohl Uwe Schünemann als auch Wiebke Osigus haben mit ihren Stellungnahmen den Unmut der oppositionellen Grünen-Fraktion erregt. Deren innenpolitische Sprecherin Susanne Menge zeigt Verständnis für »mutige Polizist*innen, die rechtsextreme Vorfälle ordnungsgemäß melden«. Das sei kein »gegenseitiges Bespitzeln«, wie es Osigus nennt, sondern »Ausdruck einer demokratischen Polizei und einer angemessenen Fehlerkultur«.

Scheint Susanne Menge auch in puncto »Melden« auf Schünemann-Linie zu liegen, so hält sie die vom CDU-Fraktionsvize geforderte »harte Hand« nicht für das allein richtige Mittel gegen »rechte Umtriebe«. Vielmehr sei die Anstrengung der niedersächsischen Polizei anzuerkennen, dem Problem mit »Ursachenbekämpfung und Demokratiebildung« zu begegnen. Dem Innenminister bescheinigt die Abgeordnete: Es sei gut, dass Pistorius »auch auf Druck der Grünen hin« endlich handele und das Ausmaß rechtsextremer Einstellungen innerhalb der Polizei wissenschaftlich untersuchen lassen möchte. »Nicht zuletzt aufgrund der wissenschaftsfeindlichen Blockade der CDU besteht ein erhebliches Erkenntnisdefizit«, gibt Susanne Menge zu bedenken. Sie mahnt: Gerade dort, wo das Gewaltmonopol des Staates mit Zugang zu Waffen ausgeübt wird, müsse sehr genau hingeschaut werden.

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