Klimaschutz versus Naturschutz

Berliner Stadtwerke bauen bei Bernau neun neue Windkraftanlagen, das Energiewende-Projekt wird vor Ort scharf kritisiert

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist das gegenwärtig größte Windkraftneubauvorhaben in ganz Norddeutschland. Im »Windpark Albertshof« bei Bernau werden auf einem Grundstück der Berliner Stadtgüter derzeit neun neue Windkraftanlagen installiert. Die Anlagen der Firma Vestas sind fast alle 200 Meter hoch, das entspricht der Höhe der Kuppel des Berliner Fernsehturms. Die neuen Windkrafträder sollen ab dem kommenden Jahr über 30 000 Haushalte in Berlin und Brandenburg mit erneuerbarem Strom versorgen. Für die Berliner Stadtwerke, dem kommunalen Energieunternehmen Berlins, ist es die bislang größte Investition: Insgesamt 38,7 Millionen Euro lässt sich der Landesbetrieb das Projekt kosten.

»Mit diesem Windpark hier ersparen wir der Atmosphäre 30 000 Tonnen des schädlichen Gases - jedes Jahr«, erklärte Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) am Mittwoch zur CO2-Einsparung laut einer vorab verbreiteten Mitteilung. Am Termin vor Ort in der Nähe Bernaus konnte die Wirtschaftssenatorin am Mittwoch wegen einer Sondersitzung des Senats zur Coronalage nicht teilnehmen.

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Für den rot-rot-grünen Senat in Berlin sind die Stadtwerke das wichtigste Unternehmen, um die lokale Energiewende voranzutreiben. Auch wenn das Unternehmen, das formal eine Tochter der Berliner Wasserbetriebe ist, in den vergangenen Jahren nicht alle Erwartungen erfüllt hatte, waren zuletzt deutliche Fortschritte zu verzeichnen gewesen: So konnte der Kundenstamm auf mittlerweile fast 20 000 Ökostromkunden angehoben werde. Ende vergangenen Jahres waren es noch 15 000 Kunden, die den sogenannten Berlinstrom oder Brandenburgstrom kauften. Neuerdings kaufen die Berliner Stadtwerke auch den Strom für das Land Berlin und seine Gebäude ein.

»Niemand hätte sich bei ihrem aktiven Start ausmalen können, was die Berliner Stadtwerke in nur fünf Jahren auf die Beine stellen. Das macht mich auch ganz persönlich sehr stolz«, sagte der Vorstandsvorsitzende der Berliner Wasserbetriebe, Jörg Simon, laut eines vorab versandten Redemanuskripts. Windenergie sei ein zentraler Baustein des Energiekonzeptes und wichtiger Schlüssel zum Gelingen der Energiewende, so Simon. Mit der neuen Anlage werden die Kapazitäten für die Ökostromerzeugung der Berliner Stadtwerke mehr als verdoppelt. Bislang hatte das Unternehmen nur vier Anlagen in Besitz.

Wie relevant die Berliner Stadtwerke für die Energiewende in der Hauptstadt sind, zeigt deren Rolle beim Ausbau der Solarenergie, die die Kapazitäten des Unternehmens ergänzt. Fast jede zweite neue Photovoltaik-Anlage in Berlin wird inzwischen von dem kommunalen Unternehmen errichtet. Wobei die Solaranlagen im Vergleich zur Windkraft viel kleinteiliger zu errichten sind. Die Umsetzung der Projekte läuft dagegen schneller. So sind die Berliner Stadtwerke inzwischen führend bei sogenannten Mieterstrom-Projekten, bei denen Mieterinnen und Mieter den auf ihren Dächern produzierten Ökostrom beziehen können, wenn sie das wünschen (»nd« berichtete). Klar ist: Ohne die Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger wird die Energiewende nicht funktionieren.

Da in Berlin selbst kaum Windkraftanlagen gebaut werden können, hängt das Gelingen der Energiewende maßgeblich von der Akzeptanz vor Ort in Brandenburg ab. Im Fall des Projekts der Stadtwerke ist allerdings die Kritik groß. »Die umliegende Bevölkerung in Bernau und Rüdnitz hat bereits große Sonderopfer gebracht«, sagt der Fraktionschef der Freien Wähler im Brandenburger Landtag, Péter Vida, zu »nd«. Die Leute wollen keine weiteren Windkraftanlagen, das sei parteiübergreifend Konsens in Bernau. »Es profitieren nur wenige«, betont Vida, der erfolgreich Schallmessungen eingefordert hatte, was dazu führte, dass die bereits bestehenden Anlagen in der Gegend am Wochenende heruntergeregelt werden müssen. Die Stadtwerke dagegen verweisen darauf, dass die neuen Anlagen in keinem Konflikt zum Wald- und Naturschutz stehen würden.

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