Europas Währungshüter beginnen mit der Testphase

Kommt der digitale Euro?

  • Jörn Bender und Bernhard Funck
  • Lesedauer: 3 Min.

Europas Währungshüter treiben ihre Arbeiten an einer digitalen Version des Euro voran. In den nächsten Wochen sollen interne Tests mit einer Digitalwährung beginnen - zeitgleich mit einer öffentlichen Befragung von Bürgern sowie Fachleuten aus Wissenschaft und Finanzsektor zum Für und Wider ab Mitte Oktober. Gegen Mitte 2021 will die Zentralbank dann über den Start eines digitalen Euro-Projekts entscheiden. Andere Notenbanken sind bei dem Thema bereits weiter.

»Die Menschen in Europa bezahlen, sparen und investieren immer häufiger auf elektronischem Weg. Unsere Aufgabe ist es, das Vertrauen in unsere Währung zu sichern. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass der Euro für das digitale Zeitalter gerüstet ist«, begründete die Präsidentin der EZB, Christine Lagarde, die Pläne.

Antwort auf die Privaten

Ein digitaler Euro wäre eine Antwort auf privatwirtschaftliche Initiativen wie Bitcoin oder das maßgeblich von Facebook getragene Projekt Libra. Der große Unterschied: Im Gegensatz zu anderen Kryptowährungen stünde ein digitaler Euro unter Aufsicht einer Zentralbank, die die Stabilität der Währung sichert.

»Die Einführung eines digitalen Euro kann in verschiedenen Szenarien erforderlich sein, etwa wenn die Menschen nicht mehr mit Bargeld zahlen wollen, oder in extremen Situationen wie Naturkatastrophen oder Pandemien, in denen andere herkömmliche Zahlungsdienstleistungen nicht mehr funktionieren«, erläuterte EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta.

Schon vor der Corona-Krise hatte sich der Trend zum Bezahlen ohne Scheine und Münzen in Deutschland und im Euroraum verstetigt. 98 Milliarden Zahlungen im Währungsraum der 19 Staaten im Gesamtwert von gut 162 Billionen Euro wurden 2019 nach EZB-Angaben bargeldlos abgewickelt. Das waren 8,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Pandemie sorgte für einen weiteren Schub bei digitalen Bezahlverfahren.

»Ein digitaler Euro würde uns auch davor bewahren, dass staatliche oder privatwirtschaftliche digitale Zahlungsmittel, die aus Ländern außerhalb des Euroraums stammen oder von dort kontrolliert werden, bestehende Zahlungsmittel weitgehend verdrängen«, ist sich Fabio Panetta sicher.

Wird Geldwäsche erleichtert?

Finanzaufseher befürchten, dass Libra Geldwäsche, Terrorfinanzierung und Steuerhinterziehung erleichtert. Facebook hatte dagegen betont, das Projekt solle den bargeldlosen Zahlungsverkehr vor allem in Schwellenländern vereinfachen, wo es kein flächendeckendes Bankensystem gebe. Technisch können digitale Währungen zum Beispiel auf Basis einer sogenannten Blockchain funktionieren - also über eine Kette von Datenblöcken, die sich mit jeder Transaktion ausbaut.

Zentralbanken wollen mit ihren Initiativen zudem ihr Geldmonopol verteidigen. Auch andere Notenbanken weltweit beschäftigen sich mit digitalem Zentralbankgeld. Vergleichsweise weit vorangeschritten ist in Europa das Projekt »E-Krona« der schwedischen Zentralbank, denn in dem skandinavischen Land wird Bargeld kaum noch genutzt. China arbeitet schon länger an der digitalen Variante seiner Währung Renminbi.

Die EZB erklärte, eine elektronische Form von Zentralbankgeld könnte von der breiten Bevölkerung genutzt werden - genauso wie Bargeld, nur in digitaler Form. Europas Währungshüter versicherten, ein digitaler Euro wäre eine Ergänzung zum Bargeld und kein Ersatz. In jedem Fall wird das Eurosystem weiterhin Bargeld ausgeben.

Was der Bürger tun kann

Ein digitaler Euro könnte es Bürgern erlauben, Geld direkt bei der Zentralbank zu hinterlegen. Diese Möglichkeit steht normalerweise nur gewerblichen Kreditgebern wie Banken, Regierungen und anderen Zentralbanken offen. Einige Experten sehen jedoch die Gefahr, dass dann in Krisenzeiten Bankkunden ihre Ersparnisse fluchtartig von kommerziellen Banken abziehen würden und Notlagen so verstärken.

»Bevor wir die Argumente abwägen und Schlüsse daraus ziehen können, benötigen wir zunächst ein umfassendes Verständnis von Digitalgeld. Dabei müssen wir stets einen offenen Ansatz verfolgen«, mahnte unlängst der Präsident der Bundesbank, Jens Weidmann, auf einer Tagung. Auf jeden Fall sei die definitive Einführung von Digitalgeld sorgfältig abzuwägen. dpa-AFX/nd

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