Entscheidungen am grünen Tisch

Berliner Schulleiter erwarten, dass sie bei den Corona-Maßnahmen für ihre Schulen mitreden dürfen

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Herbstferien sind vorbei und Berlins Schüler drücken wieder die Schulbank. Dass die Zahl der Corona-Infektionen in der Hauptstadt durch die Decke gehen, schlägt sich gleichwohl im Schulalltag kaum nieder. Zwar gilt für die beiden obersten Klassenstufen der Gymnasien, Sekundar- und Gemeinschaftsschulen nun auch im Unterricht die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Ansonsten lautet die Devise aber erst einmal nur: Die Klassenräume sind regelmäßig zu lüften, also zieht euch warm an!

Nicht alle sind zufrieden mit Maskenpflicht und Frischluftunterricht. »Aber die Schüler tragen es mit und auch die meisten Eltern haben viel Vertrauen, dass wir die Maßnahmen zum Schutz vor dem Coronavirus vernünftig umsetzen«, sagt Sven Zimmerschied, Leiter der Friedensburg-Oberschule in Charlottenburg.

Auch wenn die Maskenpflicht für die älteren Schüler nun bereits vorgezogen wurde, wird der vor den Ferien von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) präsentierte Corona-Stufenplan für die Schulen erst am kommenden Montag flächendeckend umgesetzt (»nd« berichtete). Dabei soll an diesem Donnerstag für jede einzelne Schule entschieden werden, ob der Betrieb aufgrund des Infektionsgeschehens so weiterlaufen kann wie bisher oder ob schärfere Vorsorgemaßnahmen ergriffen werden müssen.

Für Unverständnis sorgt derweil der Umstand, dass bei dieser alldonnerstäglichen Entscheidung die Schulleitungen außen vor bleiben sollen. Denn die Frage, an welcher Schule welche Gefahrenstufe gelten soll, obliegt bisher ausschließlich den jeweiligen Gesundheitsämtern und Schulaufsichten. Zur Begründung sagte Scheeres am Montag in der »Abendschau« des RBB lapidar: »Das kann kein Schulleiter, weil, er ist kein Mediziner.«

Mag ja sein, dafür könnten sie die Situation vor Ort weitaus besser einschätzen, meint Schulleiter Zimmerschied. »Die Schule muss in der Frage der Einstufung mitreden können«, so Zimmerschied, der auch die Vereinigung der Berliner ISS-Schulleiterinnen und -Schulleiter vertritt. An der Friedensburg-Oberschule etwa, einer Integrierten Sekundarschule mit über 1200 Schülern, sei das Geschehen aktuell »sehr entspannt«. Drei Schüler seien noch bis kommenden Montag in Quarantäne, eine Lehrkraft warte auf das Ergebnis ihres Corona-Tests.

Ganz anders sähe es dagegen an den Schulen aus, »die mit Blick auf Infektionen oder Verdachtsfälle schon vor den Herbstferien gebeutelt waren, die sind jetzt natürlich sensibler«, sagt Zimmerschied: »Die wären am liebsten schon in der höchsten Stufe Rot.« Fraglich sei, ob Entscheidungen am grünen Tisch von ohnehin überlasteten Mitarbeitern der Gesundheitsämter der Gesamtsituation im Einzelfall tatsächlich gerecht würden.

Auch Tom Erdmann, Berliner Landesschef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), sieht hier erheblichen Nachbesserungsbedarf am Stufenplan. »Die Schulleiterinnen und Schulleiter kennen ihre Schulen am besten. Da zu sagen, das seien ja keine Mediziner, ist einfach wohlfeil«, sagt Erdmann gegenüber »nd«.

Bei der Bildungsverwaltung kann man die Kritik nicht nachvollziehen. Zwar werde, wie Scheeres’ Sprecher Martin Klesmann mitteilt, »die abschließende Entscheidung zur Einstufung der einzelnen Schule vom Gesundheitsamt in Abstimmung mit der Schulaufsicht gefällt«. Allerdings stehe es jeder Schulleitung frei, sich selbst einzubringen und der Schulaufsicht ihre individuelle Lagebeurteilung mitzuteilen, so Klesmann. Kurzum: Alles bleibt vorerst mehr oder weniger beim Alten. Aber das hieß es vor Kurzem auch noch bei der Maskenpflicht im Unterricht.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal