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Maske tragen oder nicht?

Auf 33 Straßen und Plätzen gilt Maskenpflicht. Berlin lernt noch, wie’s richtig geht

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.

»Bölsche-was? Wo ist das denn?« So reagierten viele Berliner, als der Senat für zunächst zehn besonders belebte öffentliche Straßen und Plätze der Hauptstadt eine Maskenpflicht anordnete. Die Bölschestraße im Köpenicker Ortsteil Friedrichshagen ist eher in den Ostbezirken und im Umland als Einkaufs- und Flaniermeile ein Begriff.

Dass in der Bölschestraße Mund-Nase-Bedeckung zu tragen ist, scheint nicht jedem vor Ort geläufig zu sein. Letzten Sonntag etwa, bei sonnigem Ausflugswetter, herrschte geradezu Schlendrian, waren Masken nur ausnahmsweise zu sehen. Anders zu Wochenbeginn: Da hielten sich die meisten Leute - vor allem wohl Ortsansässige beim Nachmittagseinkauf sowie S-Bahn-Pendler, die in die Bölschestraße fluteten - regelkonform bedeckt.

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Die Einkaufsstraße mit ihren vielen Geschäften, Boutiquen, Restaurants und dem Wochenmarkt ist hübsch saniert. Vor allem in der Urlaubssaison und an schönen Wochenenden pulsiert das Leben auf dem kleinstädtischen Boulevard, der dann viele Ausflügler anzieht. Die »Bölsche« führt schnurgerade vom S-Bahnhof Berlin-Friedrichshagen zur alten Brauerei am Müggelsee. Zwei Tramlinien teilen sich die 1300 Meter mit je einer Spur für Autos und Radfahrer pro Richtung.

Dass zumindest Ortsfremde Gefahr laufen, die Regeln zu brechen, scheint niemanden zu stören. Denn nirgendwo wird auf die Maskenpflicht hingewiesen, weder in S-Bahn und Tram, noch am Bahnhof oder an Haltestellen. Es gibt keine Hinweisschilder, keine auf die Gehwege gesprühten Symbole.

Das zuständige Bezirksamt Treptow-Köpenick sieht keinen Handlungsbedarf. Die Maskenpflicht treffe auf Verständnis und werde vom Großteil der Bürger auch eingehalten, teilte eine Sprecherin dem »nd« mit. »Seit dem Inkrafttreten der Maskenpflicht in der Bölschestraße zeigt der Allgemeine Ordnungsdienst des Ordnungsamtes Treptow-Köpenick Präsenz im Rahmen seiner Kapazitäten«, heißt es. Man suche das Gespräch mit den Menschen, um sie auf die Maskenpflicht aufmerksam zu machen. Darüber hinaus habe es Pressemitteilungen und Informationen in sozialen Medien wie Facebook und Twitter gegeben. »Das Aufstellen möglicher Schilder ist aktuell nicht geplant.«

Unumstritten ist diese optimistische Sicht nicht. Im Maklerbüro »Engel & Völkers« etwa sitzt Heinz Ziemann an seinem Coputer quasi im Schaufenster mit Blick auf die »Bölsche«. »Die meisten, die hier vorbeigehen, tragen Maske, vielleicht 80 Prozent«, schätzt er. Schräg gegenüber, in der Rathaus-Apotheke, sieht Herr Böttcher die Quote bei bestenfalls »fifty-fifty«. Und nur ein Teil derer, die ohne Maske unterwegs seien, sei ortsfremd. Die Disziplin lasse nach, findet er.

Auf dem Wochenmarkt herrscht wenig Betrieb. Seit 1984 sorgt hier Marktleiter Wolfgang Hirche für Ordnung. Die einzigen Hinweisschilder weit und breit hat er selbst angebracht: »Achtung. Beachten Sie die Maskenpflicht auf dem Markt«. »Aus Solidarität und Sorge um die Gesundheit der Standbetreiber und Kunden«, sagt er. Deshalb habe er auch den Weihnachtsmark abgesagt.

Anders als die Kids, die nach Schulschluss an der Haltestelle ohne Maske und Abstand herumalbern, halten sich Händler wie Kunden an die Regeln. Dass ausgerechnet ein Brite hier Thüringer Bratwurst verkauft, überrascht. Dean, wie er sich vorstellt, lebt schon viele Jahre in Deutschland, regelmäßig kommt er mit seinem Stand aus Zossen herüber. »Ich muss Abstand halten, denn ich habe Probleme mit der Lunge«, sagt er sorgenvoll. Er verstehe nicht, warum so wenig kontrolliert werde, denn gerade die 20- bis 30-Jährigen und ältere Männer ab 50 hielten sich oft nicht an die Maskenpflicht. Nur am Anfang sei viel Polizei unterwegs gewesen.

Drei Wochen ist die Maskenpflicht in Kraft, inzwischen gilt sie für 33 Berliner Straßen und Plätze. Die von »nd« befragten Bezirksämter zeigen sich übereinstimmend im Großen und Ganzen eher zufrieden mit dem Verhalten der Bürger. Regelmäßige Kontrollen durch Ordnungsämter, teils unterstützt von Polizei, vorausgesetzt. Und die Ämter lernen dazu.

Man müsse sicherstellen, dass die Bürger über die neuen Regelungen vor Ort auch informiert sind, erklärte Sara Lümann, Sprecherin des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg. »Erste Erfahrungen zeigen, wie wichtig die insbesondere in unserem Bezirk genehmigten und auf den Untergrund aufgebrachten Piktogramme sind.« Erst seit vergangenem Wochenende würden nun Verstöße auch mit Bußgeldern geahndet. Auch das Bezirksamt Mitte plant, Straßen und Plätze, auf denen Maskenpflicht gilt, »in Form von aufgesprühten oder aufgemalten Signets auf dem Gehweg« kenntlich zu machen. In Tempelhof-Schöneberg werde auch unabhängig von den ausgerufenen Zonen regelmäßig kontrolliert, betonte die zuständige Bezirksstadträtin Christiane Heiß (Grüne). Besonders im Fokus stünden die Wochenmärkte. Um dort die Abstandsregeln einhalten zu können, habe man beispielsweise am Winterfeldplatz die Marktfläche ausgeweitet, am Crellemark habe man die Stände ausdünnen müssen.

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