Bielefelder Nazi-Überfall erfunden

Das mutmaßliche Opfer eines Nazi-Überfalls in Bielefeld räumte gegenüber der Polizei ein, diesen Übergriff erfunden zu haben. Linke Gruppe kritisiert Druck durch die Polizei.

Ein brutaler Nazi-Überfall, bei dem einem Opfer angeblich ein Hakenkreuz in die Brust geritzt wurde, sorgte am Freitag für viel Empörung. Auch »nd« berichtete über den Vorfall. Nun stellt sich heraus, dass der Überfall wahrscheinlich eine Erfindung war. Der 19-Jährige, das mutmaßliche Opfer, erschien am Freitagabend in Begleitung seiner Familie auf einer Polizeiwache in Bielefeld. Nach Angaben der Polizei räumte er dort ein, »dass der beschriebene Überfall nicht stattgefunden und er sich im Bereich Niemöllershof die Verletzungen mit einem Messer selbst zugefügt habe.« Grund für die Erfindung des Überfalls sei der Versuch gewesen, Aufmerksamkeit zu erregen. Schon im Januar soll der junge Mann eine ähnliche Tat bei der Polizei angezeigt haben.

Die linke Bielefelder Gruppe »Rise up for Justice«, die maßgeblich die Solidaritätsarbeit für das angebliche Opfer organisiert hatte und nach eigenen Angaben durchgängig mit ihm in Kontakt stand, äußerte sich am Samstagabend zu den Entwicklungen. Man könne »nicht sicher wissen, was passiert ist«. Die Polizei habe durchgängig viel Druck auf den jungen Mann ausgeübt. Generell seien »rassistische Übergriffe Realität in Deutschland« und Betroffene würden »nicht ernst genommen« oder Taten »relativiert«. Falls sie »falsche Informationen« verbreitet hätten, »tut es uns leid«, so die Gruppe weiter. Man wolle für alle, die von Rassismus betroffen sind, ein offenes Ohr haben.

Die Gruppe »Recherche Kollektiv Ostwestfalen« kritisiert, dass durch den mutmaßlich erfundenen Übergriff die »Glaubwürdigkeit« von Menschen, die Opfer rechter Gewalt werden, »geschmälert« werde. Die Solidarität vieler Menschen und linker Gruppen sei »ausgenutzt« worden. Aber auch das Kollektiv erinnert an die Alltäglichkeit rassistischer Gewalt in Deutschland und daran, dass es bei der Polizei »strukturellen Rassismus« gäbe, der immer wieder zu einer »Opferdiffamierung« führe.

In den sozialen Medien gab es viel Unverständnis darüber, wie man einen rechten Überfall erfinden kann. Rechte Accounts nutzten den Vorfall dafür, um rassistische Gewalt allgemein herunterzuspielen. Das angebliche Überfallopfer muss sich nun mit einem Strafverfahren wegen Vortäuschung einer Straftat auseinandersetzen.

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