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Milliarden für landeseigene S-Bahn-Züge

Senat beschließt Gesetzentwurf für Fahrzeug-Finanzierungsgesellschaft - Studie zu neuen Geldquellen für Nahverkehr veröffentlicht

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

Die noch zu bestellenden neuen S-Bahnzüge für die Teilnetze Nord-Süd und Stadtbahn kommen in die Anstalt. Sie werden der neuen Landesanstalt für Schienenfahrzeuge Berlin gehören. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat der Senat in seiner Sitzung am Dienstag beschlossen.

»Die Neugründung einer landeseigenen Fahrzeuganstalt - erstmals überhaupt für die Berliner S-Bahn - ist ein zentraler Baustein, um möglichst kostengünstig Fahrzeuge zu erwerben. Zudem macht sich Berlin auf diese Weise unabhängig von nur einem Betreiber«, erklärt Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne). Sie meint die Deutsche-Bahn-Tochter S-Bahn Berlin GmbH, die bei der Ausschreibung des Betriebs auf den Ringbahnlinien mangels Konkurrenz hohe Preise verlangen konnte.

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Bis zu 2160 Wagen sollen ab dem Jahr 2027 den Betrieb auf zwei Dritteln des S-Bahn-Netzes übernehmen. Mindestens bestellt werden sollen 1308 Wagen - kalkuliert sind dafür Kosten von bis zu drei Milliarden Euro. Weitere 852 Wagen sind optional vorgesehen - für dichtere Takte und zahlreiche geplante Netzausbauten des Infrastrukturprojekts i2030. Geprüft werden dafür Verlängerungen unter anderem nach Velten, Finkenkrug, Stahnsdorf, Rangsdorf sowie die Wiederinbetriebnahme der Siemensbahn.

Bisher stehen für die Fahrzeuggesellschaft 313 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt zur Verfügung. Die weiteren Mittel soll die Anstalt öffentlichen Rechts über Kredite finanzieren. »Die Refinanzierung ihrer langfristigen Darlehen für Investitionen erfolgt über ein kostendeckendes Fahrzeugüberlassungsentgelt«, heißt es in dem »nd« vorliegenden Gesetzentwurf, der nun dem Abgeordnetenhaus zugeleitet wird.

Dadurch, dass die neuen Züge dem Land Berlin und nicht einem Eisenbahnunternehmen gehören werden, sind gleich mehrere Vorteile verbunden. Zunächst sinken die Beschaffungskosten, weil das Land den Erwerb der Wagen durch Eigenmittel günstiger finanzieren kann als renditeorientierte Unternehmen. Außerdem löst es das Problem, dass Fahrzeuge auf 30 Jahre Lebensdauer ausgelegt sind, Verkehrsverträge jedoch normalerweise auf 15 Jahre abgeschlossen werden.

»Es geht primär um die Verfügungsgewalt über die Züge und geringere Kosten für das Land Berlin«, sagt Linken-Verkehrspolitiker Kristian Ronneburg zu »nd«. »Das ist kein Präjudiz dafür, dass der Zuschlag für die beiden Teilnetze an einen anderen Betreiber geht«, stellt er klar. Seine Fraktion ist wie die SPD für einen Betrieb des ganzen Netzes aus einer Hand, die Grünen wollen mehr Wettbewerb auch beim S-Bahn-Netz. Ronneburg hofft, dass sich auch das Land Brandenburg an der Fahrzeuggesellschaft beteiligt, die dortige Linken-Landtagsfraktion fordert das auch.

Am Montag hatte die Verkehrsverwaltung mit großer Verspätung die lange erwartete Studie veröffentlicht, die sich mit möglichen zusätzlichen Finanzierungssäulen für den Öffentlichen Personnennahverkehr (ÖPNV) beschäftigt. Auf rund 140 Seiten werden die Möglichkeiten der sogenannten dritten Säule neben Ticketeinnahmen und Geldern der öffentlichen Hand betrachtet. Je nach Ansatz könnten bei moderater Ausgestaltung zwischen 18 und 544 Millionen Euro jährlich zusätzlich für die Öffis zusammenkommen. Untersucht wurde neben den möglichen Einnahmen auch die praktische und juristische Machbarkeit.

Verkehrs-Staatssekretär Ingmar Streese (Grüne) lobte kürzlich die City-Maut als ein »gutes Modell«. Harald Moritz, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, spricht sich lediglich für eine »sachlich fundierte Diskussion« aus.

Eine fundierte Diskussion will auch Linke-Verkehrspolitiker Kristian Ronneburg. »Es gibt eine deutliche Kritik am Konzept der City-Maut, in großen Teilen der Partei hingegen eine Sympathie für die Öffi-Flatrate«, berichtet er über die bisherige Stimmungslage in der Linken. Man werde die Ergebnisse der Studie in übersichtlicher Form aufbereiten, um auch die Meinung der Stadtgesellschaft einholen zu können.

Es gebe noch eine »offene Situation, wie und was wir beschließen werden«, sagt der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) zur Haltung des Senats zur City-Maut und dem von ihm ins Spiel gebrachten 365-Euro-Ticket.

Laut der Antwort der Verkehrsverwaltung auf eine Schriftliche Anfrage von Kristian Ronneburg gehen Verkehrsverbund und BVG von einem zusätzlichen Zuschussbedarf von 270 bis 300 Millionen Euro aus. Die Erwartung steigender Nutzungszahlen im ÖPNV habe sich zumindest in Wien nicht bestätigt. Dessen Anteil im Verkehrsmix in der österreichischen Hauptstadt habe sich seit Einführung des 365-Euro-Tickets 2011 bis 2018 lediglich um einen Prozentpunkt erhöht.

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