- Berlin
- Gaza-Krieg
Neukölln: Gaza-Event trotzt Diffamierung
500 Menschen beteiligten sich an einer Solidaritätsveranstaltung vom Bezirksverband der Linken – zuvor wurde das Event medial angegriffen
Unter dem Motto »Neukölln steht zusammen – Solidarität mit den Menschen in Palästina« folgten am Samstag rund 500 Menschen der Einladung des Bezirksverbands der Linken Neukölln zu einem Kiez-Event am Paul-Linke-Ufer in Kreuzberg.
Auf der Veranstaltung sprachen Redner*innen diverser Gruppen, um »gemeinsam den vielen Opfern zu gedenken und sich für ein sofortiges Ende des Genozids in Gaza auszusprechen«, teilt der Bezirksverband mit. Außerdem fanden Bastelworkshops für Kinder statt. Es gab eine Siebdruck-Station sowie Kunst- und Musikbeiträge.
Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.
Neben dem Linken-Bezirksverband beteiligten sich die Gruppen »Eye4Palestine«, das »Gaza Komitee«, die »Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost« und das »Vereinigte Palästinensische Nationalkomitee« (VPNK). Letztgenannte Gruppe hatte im Vorfeld der Veranstaltung für Aufsehen gesorgt. In den Schlagzeilen vieler Zeitungen war dem Linke-Bezirksverband unterstellt worden, dass dieser ein Fest mit der Hamas veranstalte. Die Berichterstattung führte dazu, dass der Betreiber des ursprünglich geplanten Veranstaltungsorts in Neukölln die Raumzusage zurückzog.
»Wir haben die Veranstaltung weder mit der Hamas geplant, organisiert oder durchgeführt. Dass uns das zugeschoben wird, ist eine Diffamierungskampagne«, sagt Hermann Nehls als Sprecher des Bezirksverbands Neukölln im Gespräch mit »nd«.
Dass das »Vereinigte Palästinensische Nationalkomitee« der Hamas nahestehe, hatte der Verfassungsschutz in seinem Bericht aus 2024 mitgeteilt. In dem Bericht heißt es, dass das VPNK unter anderem eine »Dachbezeichnung« für Berliner Anhänger der Hamas sei. »Das VPNK mobilisierte für die eigenen Versammlungen – sowie auch für die anderer Gruppierungen – mit auf Arabisch verfassten Flyern, die insbesondere die palästinensische Diaspora beziehungsweise die arabische Community ansprechen sollten.« Ein Großteil der VPNK-Veranstaltungen ordnet der Verfassungsschutz als »antiisraelisch« ein.
»Wir haben die Veranstaltung weder mit der Hamas geplant, organisiert oder durchgeführt. Dass uns das zugeschoben wird, ist eine Diffamierungskampagne.«
Hermann Nehls Sprecher des Linke-Bezirksverbands Neukölln
»Natürlich sind Verfassungsschutzberichte politisch gefärbt und wir stützen uns nicht auf die Analysen repressiver staatlicher Organe«, so Nehls. Die Einschätzung des Verfassungsschutzes teile der Bezirksverband nicht. »Das Vereinigte Palästinensische Nationalkomitee ist eine Organisation, in der sich die palästinensische Community organisiert. Ihre Rede vor Ort stand im Einklang mit unseren Werten und Forderungen«, so Nehls. Die Rede des Sprechers des VPNK, der am Samstag neben vielen weiteren auf der Veranstaltung auftrat, liegt »nd« vor. Darin ist weder von einer Unterstützung noch von Sympathie mit der Hamas oder mit islamistischer Ideologie die Rede.
Der Sprecher forderte vielmehr den Stopp der Waffenlieferungen an Israel und der Unterstützung des »Militärs, das gegen Zivilist*innen eingesetzt wird«. In dem Zusammenhang begrüße das VPNK die Entscheidung des Bundeskanzlers Friedrich Merz (CDU), das Deutschland »›bis auf Weiteres‹ keine Waffen oder militärische Ausrüstung mehr liefern wird, die in Gaza eingesetzt werden könnten.« Außerdem fordert er einen freien Zugang für internationale Hilfsorganisationen sowie einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza.
»Für Brücken des Miteinanders, für eine Kultur des friedlichen Widerstands, für ein erneutes Versprechen an Palästina: Ihr seid nicht allein. Es lebe ein freies Palästina. Es lebe die menschliche Solidarität überall«, lauten die Schlussworte aus der Rede des VPNK.
Auch der Landesverband der Linken hatte sich im Vorfeld der Veranstaltung zu Wort gemeldet. So wurde die Vorsitzende Kerstin Wolter im »Tagesspiegel« zitiert: »Die Linke Neukölln muss jetzt klären, wer bei ihr auftritt, denn unsere Beschlusslage ist eindeutig. Organisationen und Personen, die der Hamas nahestehen oder ihren Terror billigen, sind definitiv keine Bündnispartner für uns.«
Der Bezirksverband Neukölln hatte daraufhin in einem offenen Brief an den Landesverband appelliert, die Meinungsfreiheit zu schützen, statt sich an einer Medienkampagne zu beteiligen. Außerdem solle der Landesverband zu wöchentlichen Demos der palästinensischen Community aufrufen und aufhören, »die Bewegung zu spalten, die sich gegen einen Völkermord erhebt«.
Laut Angaben der Deutschen Presse-Agentur demonstrierten am Samstag rund 40 Menschen gegen das Kiez-Event in Kreuzberg. Zum Gegenprotest aufgerufen hatte unter anderem der Verein Werteinitiative sowie die Jugendorganisation der FDP, die Jungen Liberalen. Laut Angaben der Polizei gab es keine Zwischenfälle.
»Mit der Veranstaltung haben wir einen Raum für Bildung, Dialog und Menschenrechte geschaffen, für eine solidarische Nachbarschaft, die sich gemeinsam gegen die unerträglichen Verbrechen gegen die Palästinenser*innen stellt«, teilt der Aktivist Basem Said aus der arabisch-palästinensischen Community mit.
»Statt sich mit unseren Inhalten auseinanderzusetzen, hat die Axel-Springer-Presse erneut palästinensische Aktivist*innen mit unbegründeten Vorwürfen diffamiert. Diese Angriffe delegitimieren nicht nur unser Engagement, sondern auch das Recht auf Teilhabe und politische Bildung«, so der Pädagoge Said.
Wir haben einen Preis. Aber keinen Gewinn.
Die »nd.Genossenschaft« gehört den Menschen, die sie ermöglichen: unseren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die mit ihrem Beitrag linken Journalismus für alle sichern: ohne Gewinnmaximierung, Medienkonzern oder Tech-Milliardär.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen sichtbar machen, die sonst untergehen
→ Stimmen Gehör verschaffen, die oft überhört werden
→ Desinformation Fakten entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und vertiefen
Jetzt »Freiwillig zahlen« und die Finanzierung unserer solidarischen Zeitung unterstützen. Damit nd.bleibt.