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Sachsens Kronjuwelen bleiben verschwunden

Ein Jahr nach dem spektakulären Raub im Grünen Gewölbe in Dresden sind drei Verdächtige in Haft und zwei weitere auf der Flucht

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Fenster ist zugemauert; ein Spiegel verdeckt im Pretiosensaal des Grünen Gewölbes die Stelle, an der sich genau vor einem Jahr Einbrecher Zugang zur Schatzkammer im Dresdner Schloss verschafften, um einen spektakulären Coup zu landen. Sie schlugen brutal eine Vitrine ein und raubten mit Diamanten und Brillanten besetzte Schmuckstücke. Diese seien einzigartige Kunstwerke, sagte Dirk Syndram, Direktor des Museums: »Das ist eine Art Welterbe.«

Ein Jahr später scheint zumindest die Frage beantwortet, wer den binnen weniger Minuten ausgeführten Raub verübt hat. Vorige Woche gab es unter Führung der sächsischen Polizei eine Razzia mit fast 1700 Beamten in Berlin, bei der drei »dringend tatverdächtige deutsche Staatsbürger« festgenommen wurden. Diese seien »in Berliner Clanfamilien zu Hause«, sagte ein Polizeisprecher; nun sitzen sie in Untersuchungshaft. Ihnen wird schwerer Bandendiebstahl und Brandstiftung in zwei Fällen vorgeworfen. Bei zwei weiteren Verdächtigen misslang die Festnahme, nach ihnen wird öffentlich gefahndet. Bisher seien 70 Hinweise eingegangen.

Auf die Spur der Verdächtigen kam die direkt nach dem Raub gebildete, nach einer reich verzierten Achselschleife benannte Soko »Epaulette« laut Staatsanwaltschaft durch Spuren am Fluchtfahrzeug und am Tatort, darunter Videoaufnahmen - was überrascht, weil deren Qualität nach dem Überfall in der Kritik stand. Veröffentlichte Aufnahmen ließen nur Schemen erkennen, was auch am Ausfall der Beleuchtung lag. Dafür hatten die Täter offenbar gesorgt, indem sie einen Verteilerkasten in Schlossnähe anzündeten.

Über eine Spur nach Berlin wurde zeitig spekuliert wegen auffälliger Parallelen zu einem Einbruch ins dortige Bodemuseum, bei dem 2017 eine schwere Goldmünze im Wert von 3,75 Millionen Euro gestohlen wurde. Auch dort wurde ein Fenster aufgestemmt und eine Vitrine zertrümmert. Zu den Tätern, die sich ab Januar 2019 am Landgericht Berlin verantworten mussten, gehörte nach Berichten der »Süddeutschen Zeitung« einer der jetzt Verhafteten. Er blieb auf freiem Fuß. In der Zeit, als der Raub in Dresden erfolgte, gab es in dem Berliner Prozess eine dreiwöchige Pause. Nur Tage nach dem Dresdner Coup hatte der nun Verhaftete auch einen Termin am Amtsgericht Erlangen. Dort wurde er wegen eines Einbruchs in einer Firma verurteilt, die hydraulische Spreizer etwa für Feuerwehren herstellt. In Dresden könnten sie geholfen haben, geräuschlos die historischen Fenstergitter am Schloss aufzubrechen. Für den Berliner Raub wurde der 26-Jährige im Februar zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Zum Zeitpunkt der Razzia hatte er die Strafe noch nicht angetreten.

Nicht aufgespürt wurde das Diebesgut. Sie hoffe dennoch, dass die Juwelengarnituren gefunden werden, sagte Marion Ackermann, die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD). Sie hätten einen »hohen ideellen Wert für unsere Kultur«, sagte CDU-Kulturministerin Barbara Klepsch. Experten halten es freilich für nicht unwahrscheinlich, dass die Edelsteine aus den Garnituren herausgebrochen, umgeschliffen und verkauft wurden.

Klepsch versicherte, man habe den Diebstahl »genau ausgewertet« und Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit zu verbessern. Beteiligt waren neben SKD, Polizei und Sachsens Immobilienbetrieb SIB auch internationale Experten. Ackermann spricht von einem »Risikominderungskonzept«. Kurz nach dem Einbruch hatte die Regierung Untersuchungen in Aussicht gestellt, »inwieweit die gegenwärtige technische Ausstattung ... noch zeitgemäß ist« und dem Stand der Technik entspricht. So hätten die Kameras bereits vor dem Diebstahl als »zu optimierende Komponenten« gegolten. Nachfragen aus dem Landtag blieben unbeantwortet; das Sicherheitskonzept sei Verschlusssache, detaillierte Aussagen zu einzelnen Komponenten nicht möglich. Rico Gebhardt, Fraktionschef der Linken, hat aktuell dennoch erneut angefragt, welche Defizite bei der Sicherheit entdeckt wurden, bis wann sie beseitigt werden und was das kostet. Bevor nicht klar sei, warum die Täter unbehelligt fliehen konnten, dürften »die Akten nicht geschlossen werden«.

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