Wahlkampfschlager Schultoilette

Die SPD versucht, mit dem Thema Schulreinigung bei den Wählern punkten, die Linke pocht auf rasche Entscheidungen

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 4 Min.

An vielen Berliner Schulen sind stinkende Toiletten, dreckige Klassenzimmer und Flure seit Jahren ein Ärgernis. Das weiß auch die Hauptstadt-SPD, die die bisweilen unappetitliche Hygienesituation an den Schulen nun zum Wahlkampfthema gemacht hat. Wenn sie sich etwas wünschen dürfe, so Berlins neue SPD-Chefin Franziska Giffey auf dem Landesparteitag am Wochenende, dann wäre es, dass die vor Jahrzehnten an externe Putzfirmen ausgelagerte Schulreinigung rückgängig gemacht wird und »jede Schule wieder ihre eigene Reinigungskraft hat«.

»Wir haben die Aussage aufmerksam zur Kenntnis genommen«, sagt Philipp Dehne von der Bürgerinitiative »Schule in Not«, die sich seit über zwei Jahren genau dafür einsetzt: feste Reinigungskräfte an jeder Schule, angestellt beim Bezirk, mit mehr Zeit und anständig bezahlt. Nur so, ist die Initiative überzeugt, könne man der miesen Gesamtsituation ein Ende bereiten. Schließlich sei es bisher so, dass sich die Firmen im Zuge der Ausschreibungen gegenseitig bei den Preisen unterbieten und dann den Kosten- und Zeitdruck an ihre ohnehin prekär beschäftigten Putzfrauen und -männer weitergeben. Die Folgen könne man auf den Schulklos sehen und riechen.

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»Schule in Not« zufolge drängt die Zeit, da im Sommer kommenden Jahres in mehreren Bezirken die Verträge mit den externen Dienstleistern auslaufen. Die Initiative baut in diesem Zusammenhang dann auch auf die derzeit laufenden Verhandlungen zum Berliner Nachtragshaushalt und fordert, dass hierin auch Mittel festgeschrieben werden, die den Weg für Modellprojekte zur Rekommunalisierung der Schulreinigung frei machen. Zwischen sechs und zehn Millionen Euro müsste das Land nach Schätzungen der Aktivisten dafür locker machen.

»Die SPD hat jetzt die Chance zu zeigen, dass sie den Worten auch Taten folgen lässt«, sagt Dehne mit Blick auf die Sitzung des Hauptausschusses des Abgeordnetenhauses am Mittwoch, in dem das Thema auf die Agenda gesetzt werden soll. »Wenn die Rekommunalisierung im Sommer anfangen soll, dann muss jetzt mit den Planungen begonnen werden. Ansonsten verschiebt sich der Prozess ein weiteres Jahr. Das darf nicht sein.«

Das sieht die Berliner Linke genauso. So spricht sich Linke-Landesvorsitzende Katina Schubert gegenüber »nd« klar dafür aus, die Modellversuche im Nachtragshaushalt festzuschreiben. »Wir alle wissen, dass dreckige Schulen für viele Kinder und Jugendliche ein ernsthaftes Problem sind, und zwar schon lange vor und unabhängig von Corona. Deshalb ist es wichtig, jetzt Nägel mit Köpfen statt Wahlkampf zu machen«, so Schubert in Richtung SPD. Aus Koalitionskreisen ist zu hören, dass die Sozialdemokraten der Idee, Gelder für entsprechende Pilotprojekte loszueisen, zumindest aufgeschlossen gegenüberstehen.

Also Rekommunalisierung jetzt? Nun mal nicht hyperventilieren, heißt es derweil aus den Reihen des dritten Koalitionspartners, den Berliner Grünen. »Die Rekommunalisierungsdebatte ist ja generell richtig«, sagt Daniel Wesener, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus. Aber solche Projekte müssten zum einen gut vorbereitet sein, zum anderen obliegt die Schulreinigung nicht dem Land, sondern den Bezirken. »Hier muss man sagen: Ehrlich währt am längsten. Wir können nicht in die Haushalte der Bezirke eingreifen«, so Wesener zu »nd«. Grundsätzlich wollen sich auch die Grünen nicht sperren, verweisen hierbei aber auf den nächsten Doppelhaushalt für 2022 und 2023, damit es eben kein auf wenige Schulen beschränktes Pilotprojekt bleibt. »Was die Bezirke hierfür brauchen, ist finanzielle Beinfreiheit.«

Der zur Debatte stehende zusätzliche Posten in Höhe von bis zu zehn Millionen Euro sei zudem bereits in den Bezirkshaushalten vorhanden. »Die rot-rot-grüne Koalition hat bereits im Sommer mit dem ersten Nachtragshaushalt die finanziellen Voraussetzungen geschaffen, dass mögliche Defizite in den Bezirken durch den Landeshaushalt ausgeglichen werden.« Entsprechende Modellprojekte seien daher längst möglich, das sollten auch die Koalitionspartner wissen. »Aber gut, im kommenden Jahr wird gewählt«, so Wesener.

Ein Blick in die Bezirke zeigt freilich, dass sich die Begeisterung der Verantwortlichen in argen Grenzen hält. Zwar haben sich - nicht zuletzt auf Initiative von »Schule in Not« - sechs Bezirksverordnetenversammlungen bereits mehrheitlich für eine Rekommunalisierung ausgesprochen. Klar ist aber, dass das Votum der Verordneten die jeweiligen Bezirksämter erst einmal zu gar nichts verpflichtet. Dass bei dem Thema mitunter beharrlich auf Durchzug geschaltet wird, weiß auch Philipp Dehne: »Aber es gibt eben Bezirksämter wie in Tempelhof-Schöneberg, Charlottenburg-Wilmersdorf und Lichtenberg, in denen es Offenheit gibt.«

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