Leverkusener Leistungssprung

Bayer thront nach dem Sieg gegen Hoffenheim an der Bundesligaspitze

  • Andreas Morbach, Leverkusen
  • Lesedauer: 4 Min.

In seinen gut elf Jahren in Leverkusen hat Lars Bender einiges erlebt. Charakterlich gegensätzliche Cheftrainer wie Jupp Heynckes und Roger Schmidt zum Beispiel, eine Vizemeisterschaft, einen Beinaheabstieg, das verlorene Pokalfinale Anfang Juli gegen die Bayern oder seine Ernennung zum Mannschaftskapitän vor fünf Jahren - ein Amt, das er aufgrund zahlreicher Verletzungen und dem so verlorenen Stammplatz in diesem Sommer abgab. Auch Tabellenführungen hat der in Bayer-Diensten stehende Oberbayer schon genossen. Sehr viele waren es allerdings nicht - entsprechend freudig nahm der 31-Jährige den Sprung auf den Ligagipfel am Sonntagabend zur Kenntnis.

»Das ist eine schöne Momentaufnahme«, kommentierte Bender die Konsequenz aus dem 4:1 gegen Hoffenheim und schlug vor: »Man kann sich ein Foto davon machen.« Ungezügelte Begeisterung sprudelte aus diesen Worten nicht hervor. Was einerseits am sachlichen Naturell des gebürtigen Rosenheimers liegt und andererseits mit der nächsten anstrengenden Arbeitswoche für die viel beschäftigten Fußballer des Werksklubs zu tun hat. »Zwei Spiele in kurzen Abständen«, präzisierte Bender. Zudem haben es die Partien am Mittwoch in Köln und drei Tage später gegen den FC Bayern in sich.

Im Vorjahr unterlag das Team von Peter Bosz den Kölnern zehn Tage vor Heiligabend mit 0:2. Nun findet das rheinische Derby, bei dem Leverkusen erstmals seit September 2014 eine Tabellenführung zu verteidigen hat, am 16. Dezember statt. Als Generalprobe für das große Gipfelduell mit den Münchnern - bei dem sich zeigen wird, wie stabil das vom niederländischen Cheftrainer beschworene breite Fundament beim aktuellen Spitzenreiter tatsächlich ist.

Offenkundig ist, dass die Leverkusener die Sommerverkäufe ihrer Topscorer Kai Havertz und Kevin Volland deutlich besser kompensiert haben als insgeheim befürchtet. Die Verantwortung ist nun auf mehrere Schultern verteilt, denn Akteure wie Nadiem Amiri, Lucas Alario, Julian Baumgartlinger, Aleksandar Dragovic oder Daley Sinkgraven haben den von den Sportchefs Rudi Völler und Simon Rolfes eingeforderten Leistungssprung geschafft.

Für Übungsleiter Bosz liegt darin der Hauptgrund, dass die Rheinländer in den kommenden Wochen seiner Einschätzung nach keine sportliche Delle erleben werden. Anders als in der Vorsaison gebe es bei seiner Mannschaft, betont der 57-Jährige, nun nicht mehr die qualitativen Ausschläge nach oben und unten, die er damals auch während einzelner Spiele beobachtet hatte. Die Darbietungen der auf leisen Sohlen ganz nach oben geschlichenen Leverkusener sind stringenter, kompakter und solider geworden. Und spektakuläre Treffer des Jamaikaners Leon Bailey, der seit Wochen in Hochform spielt, oder des großen 17-jährigen Talents Florian Wirtz werden, wie gegen Hoffenheim zu bestaunen, in dieses gut geknüpfte Netz immer wieder eingewoben.

»Es ist ein Supergefühl, auf Platz eins zu stehen - und eine große Motivation«, versicherte Doppeltorschütze Bailey nach dem Sieg über die Kraichgauer. Und Menschenfreund Bosz lächelte: »Wenn es nach 34 Spielen wäre, dann wäre ich euphorisch. So weit ist es aber noch nicht.« Schon jetzt ein klarer Erfolg war jedenfalls seine Analyse der Vorsaison - die unter anderem ein klares Verbesserungspotenzial bei Standards ergab. Also lotste Bosz seinen Landsmann Rob Maas im Sommer als weiteren Assistenten unter das Bayer-Kreuz, wo der frühere Bundesligaprofi von Arminia Bielefeld und Hertha BSC die Bereiche Eckball und Freistoß seitdem verantwortlich leitet. Ein besonders prachtvolles Resultat dieser Arbeit servierte nun Angreifer Bailey, als er beim frühen Führungstor gegen Hoffenheim einen Eckstoß gemeinsam mit Amiri kurz ausführte, den Mitspieler mit dem Ball am Fuß flugs umkurvte und anschließend mit einem sagenhaft angeschnittenen Schuss in den Winkel traf. Es war bereits der siebte Torerfolg nach ruhenden Bällen in dieser Saison, der fünfte nach einem Eckstoß - auch in dieser Wertung liegt Leverkusen in der Liga momentan ganz vorne.

Entsprechend stürmten Bailey und ein halbes Dutzend seiner Teamkollegen nach dem 1:0 auf Mijnheer Maas zu. Weitere Anker des aktuellen Bayer-Laufs: Nur Leipzig kassierte weniger Gegentreffer als der Vorjahresfünfte. Und keine andere Mannschaft kam in der Gruppenphase der Europa League an die 21 Tore der Leverkusener heran, die in der Zwischenrunde im Februar nun auf Young Boys Bern treffen. Bei der Auslosung am Montag erwischte Bayer damit einen vergleichsweise leichten Gegner - auch das passt zum derzeitigen Wohlgefühl.

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