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  • Rot-Rot-Grün und Vorkäufe

Schwierige Bündnispartner

Obwohl Genossenschaften mit Rot-Rot-Grün hadern, engagieren sie sich bei Vorkäufen.

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 6 Min.
Einst gehörte das Friedrichshainer Mietshaus Weidenweg 39 einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft: Nun ist es nach einer Privatisierungsepoche bei einer Genossenschaft gelandet.
Einst gehörte das Friedrichshainer Mietshaus Weidenweg 39 einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft: Nun ist es nach einer Privatisierungsepoche bei einer Genossenschaft gelandet.

»Wir haben die Netzwerke gespannt. Es entwickelt sich ein kooperatives Geflecht«, sagt Florian Schmidt zufrieden zu »nd«. Denn kurz vor Weihnachten vermeldete der Grünen-Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg den Kauf von vier Wohnhäusern im Bezirk durch zwei Genossenschaften. In der Dieffenbachstraße 69 in Berlin-Kreuzberg gelang das der Wohnungsbaugenossenschaft Bremer Höhe durch die Ausübung des Vorkaufsrechts. »Das Besondere ist der präventive Ankauf des Hauses Freiligrathstraße 5 in Kreuzberg«, erklärt Schmidt. Die Bremer Höhe hatte die Liegenschaft nach direkten Verhandlungen vom Vorbesitzer erworben. »Wir mussten also nicht in der viel zu kurzen Zwei-Monats-Frist mit der Ausübung des Vorkaufsrechts die Notbremse ziehen«, so der Baustadtrat. Über vier weitere solcher Käufe werde gesprochen. Bei Vorkäufen und auch dem bisher ersten präventiven Ankauf beraten und vernetzen die von den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte unterstützten Projekte AKS Gemeinwohl und Häuser bewegen Mieter und gemeinwohlorientierte Käufer. Mit großem Engagement arbeiten dort Menschen, die selber einst für den Entzug ihrer eigenen Häuser aus der Verwertungskette gekämpft haben.

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Die beiden 1995 und 2000 gegründeten Genossenschaften Grüne Mitte Hellersdorf und Bremer Höhe sind Kinder der Privatisierung kommunaler Wohnungsbestände in der Nachwendezeit. Nur durch hartnäckigen Widerstand konnten die Mieter erreichen, dass die Wohnungen nicht an private Verwerter gingen. Das Altschuldenhilfegesetz des Bundes zwang kommunale und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen im Gegenzug für den Erlass eines Großteils der DDR-Altschulden zum Verkauf von 15 Prozent ihrer Bestände. Besonders Grüne-Mitte-Vorstand Andrej Eckhardt beklagt bis heute bitter die fehlende Unterstützung, ja regelrechte Opposition von Landes- und Bezirkspolitik bei der Gründung der Genossenschaft.

In den letzten Jahren profilierte Eckhardt sich als Gegner rot-rot-grüner Bau- und Wohnungspolitik. Wie kommt es also, dass seine Genossenschaft im Zuge des Vorkaufsrechts die Häuser Manteuffelstraße 48 und Weidenweg 39 erworben hat? »Auch wenn ich bei vielem nicht einer Meinung mit dem Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg bin, habe ich bei ihm den Eindruck, dass es ein echtes Interesse gibt, das Vorkaufsrecht wirklich auszuüben und nicht nur den ursprünglichen Käufer zu einer Abwendungsvereinbarung zu bewegen«, sagt Eckhardt zu »nd«. Wo er den Eindruck habe, dass das Bezirksamt ihn unterstützt, sei er gerne bereit, sich zu engagieren. In Neukölln sei dies nicht der Fall gewesen.

Auch die Mieter müssen ihren Teil beitragen. »Wenn die mich anschreiben, und zwar nicht anonym mit dem Hinweis, dass ich mit dem Bezirksamt Kontakt aufnehmen soll, dann komme ich gerne vorbei. Das ist bei den betroffenen Häusern geschehen«, so Eckhardt. Er habe ihnen erklärt, dass »nichts umsonst ist«, ehrlich die Vor- und Nachteile benannt, gesagt, dass der Deal jederzeit platzen kann, wenn die Bank nicht mitspielt oder der ursprüngliche Käufer eine Abwendungserklärung unterzeichnet. »Über die Hälfte der Mieter war bereit, in die Genossenschaft einzutreten. Zunächst mit einem Anteil von 500 Euro. Wenn der Kauf gelingt, müssen die Anteile auf 6100 Euro aufgestockt werden. Das ist genau die gleiche Behandlung wie bei unseren Hellersdorfer Mitgliedern«, berichtet Eckhardt.

»Man kann fürstlich über das Vorkaufsrecht diskutieren, wie es an der Karl-Marx-Allee und bei der Diese eG zu horrenden Preisen umgesetzt wurde, aber vom Grundsatz her ist es eine Chance«, sagt der Grüne-Mitte-Vorstand.

Baustadtrat Florian Schmidt hält sowohl die Ankäufe der Prachtbauten in der Karl-Marx-Allee als auch die Gründung der von SPD und Opposition skandalisierten Diese eG, die mehrere sehr teure Häuser in Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg im Zuge des Vorkaufsrechts übernahm, für richtig. »Der Diese eG wurden letztlich politisch Pflöcke in den Weg gelegt«, sagt Schmidt. Auf Betreiben von CDU und FDP im Abgeordnetenhaus wird sich demnächst ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit den Vorgängen beschäftigen. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen gegen den Baustadtrat inzwischen eingestellt. Untreue konnte sie nicht erkennen.

»Wichtig dabei zu wissen ist, dass der Auslöser für die Ermittlungen mehrere Anzeigen der FDP-Ortsvorsitzenden von Weißensee, Sandra von Münster, waren«, sagt Grünen-Wohnungspolitikerin Katrin Schmidberger. Sie sei außerdem im Vorstand des Immobilien-Lobbyvereins Neue Wege für Berlin sowie Mitbegründerin der AG Eigentum schützen. »Hinzu kommt, dass sie als Anwältin für Immobilienrecht tätig ist und die Interessen von Immobilienentwicklern vertritt«, so Schmidberger weiter.

Für Schmidt war die Diese eG trotz deren Ausbremsung ein Katalysator für das Engagement von Genossenschaften im Vorkaufsgeschehen. »Immer mehr von ihnen kaufen an«, sagt er freudig. Es sei wunderbar, wie viele Akteure beim Projekt Communalisierung zusammenkämen. »Mit ›C‹ wie ›common‹ im Englischen, weil es nicht nur um kommunales, sondern um gemeinschaftliches Eigentum insgesamt geht«, erläutert er. Mindestens die Hälfte des Wohnraums im Bezirk soll in gemeinwohlorientierte Hand kommen. »Derzeit sind es schätzungsweise um die 28 Prozent«, sagt Schmidt.

Vorkäufe sind nur in Milieuschutzgebieten möglich. Seit Regierungsantritt der rot-rot-grünen Koalition hat sich die Anzahl in Berlin von 34 auf 64 fast verdoppelt, wie die Antwort auf eine Schriftliche Anfrage der Linke-Wohnungspolitikerin Gaby Gottwald ergibt. In ihnen lebt inzwischen fast eine Million Berliner. Weitere fünf Gebiete mit über 90 000 Bewohnern sind bereits beschlossen, weitere 15 könnten in absehbarer Zeit dazukommen.

»Das Vorkaufsrecht ist eine große Chance, die Wohnungen für die Genossenschaften zu sichern und in Größenordnungen zu kommen, wo man nicht an uns vorbeikommt«, sagt Andrej Eckhardt. Er will sich bei den Vorkäufen auch nicht auf Zuschüsse einlassen. »Für das erste Haus im September haben wir einen Antrag auf Zuschüsse gestellt. Es hatte sehr lange gedauert, bis er bearbeitet worden ist, und dann wurde uns gesagt, dass das Geld alle ist. Tatsächlich kommen wir mit einer freien Finanzierung billiger weg«, berichtet er.

Eckhardt macht sich auch Luft über den 2020 in Kraft getretenen Mietendeckel. »Warum muss bei einem neuen Mietvertrag die Miete niedriger sein als in einem bestehenden?«, fragt er. »Ich stehe nicht der Feststellung kritisch gegenüber, dass die Mieten zu hoch sind, sondern wie man beim Mietendeckel damit umgeht«, stellt er klar. Er halte es für eine »Katastrophe, wie mit uns Genossenschaften umgegangen wird«. Gerade in der Linkspartei gebe es regelrechte Gegner der Genossenschaften, findet er.

»Innerhalb der Mieterorganisationen ist es weitgehend unstrittig, dass dies Gesetz absolut notwendig war«, entgegnet Linke-Mietenpolitikerin Gaby Gottwald und beklagt, dass »dennoch viele Genossenschaften, die mittels einer sehr aggressiven Kampagne gegen den Mietendeckel Sturm gelaufen sind«. Die Linke sehe Genossenschaften als Bündnispartner an. »Wir haben mit sehr, sehr vielen geredet. Daten, Fakten über ein drohendes Desaster durch den Mietendeckel wurden uns nicht geliefert. Schon gar nicht konnte die Legende belegt werden, Neubau sei nicht mehr finanzierbar, da Mieterhöhungen im Bestand nicht mehr realisierbar seien«, so Gottwald weiter. Viele Genossenschaften seien finanziell sehr gut aufgestellt, verfügten über erhebliches Eigenkapital und finanzieren Neubau über zinsgünstige Kredite. »Dass Genossenschaften als Dritte beim Vorkauf fungieren, mag ja auch ein dezenter Hinweis darauf sein, dass der Mietendeckel ihnen die finanzielle Handlungsfähigkeit erhalten hat«, merkt die Linke-Politikerin an. Im Sommer will das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über den Mietendeckel entscheiden.

Andrej Eckhardt will sich nun selbst in der Politik engagieren. »Ich will etwas ändern, darum will ich auch versuchen, als Parteiloser auf der Liste der CDU für das Abgeordnetenhaus zu kandidieren«, sagt er. Für ihn sei nicht ausgemacht, dass beim Volksbegehren »Deutsche Wohnen & Co enteignen« Genossenschaften ausgenommen seien. Wenn genug Unterschriften zusammenkommen, könnte parallel zur Wahl im Herbst der Volksentscheid abgehalten werden.

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