California Dreamin’

Schalkes Fußballer besiegen Hoffenheim mit 4:0 und verhindern Negativrekord

  • Daniel Theweleit, Gelsenkirchen
  • Lesedauer: 4 Min.

Das tiefe Glück, das die paar Dutzend Menschen mit den königsblauen Herzen in der Arena auf Schalke am Samstagnachmittag um zwanzig nach fünf erfüllte, erhielt noch einmal einen zusätzlichen Schub, als nach vollendetem Werk unerwartete Töne aus den Lautsprechern erklangen. Eigentlich spielt der Stadion-DJ am Ende der Spiele immer einen Song namens »Königsblauer S04«, eine Schnulze mit schwerer Melodie, die sich in den vergangenen Monaten fest mit dem Gefühl des Misserfolgs verbunden hat. Nun bejubelte die Mannschaft zum ersten Mal seit fast einem Jahr wieder einen Sieg - und »California Dreamin’« wurde gespielt. Als Hommage an einen Kalifornier, der zum Protagonisten eines krachenden Befreiungsaktes geworden war. Der 19 Jahre alte Stürmer Matthew Hoppe hatte die ersten drei Treffer zum erstaunlichen 4:0-Sieg der Schalker gegen die TSG Hoffenheim beigesteuert und war ziemlich überraschend zum Gesicht einer Verwandlung geworden. »Ich habe keine Worte dafür«, sagte Hoppe, und formulierte dann doch ein paar Floskeln der Freude: »Die ganze Mannschaft hat 90 Minuten gekämpft, es war großartig, das zu sehen.«

Der FC Schalke erlebte nach einer tiefen und langen Depression tatsächlich einige zuckersüße Momente und hat sogar den letzten Tabellenplatz verlassen, nachdem die Tage vor dem Spiel überschattet waren von der tasmanischen Gefahr. Hätte Schalke nicht gewonnen, hätten sie den Rekord von 31 Partien ohne Sieg von Tasmania Berlin erreicht. Dieses Thema ist nun endgültig erledigt, der Rekord bleibt in der Hauptstadt. Nun können die Schalker sich wieder den wichtigeren Aspekten ihrer Krisensaison zuwenden.

Der neue Trainer Christian Gross hat gleich in seinem zweiten Spiel geschafft, was David Wagner, Manuel Baum und Huub Stevens nicht gelungen war: Er hat die Niederlagenserie beendet. Und er ist in einem Moment in dem Klub angekommen, in dem tatsächlich eine Wende möglich sein könnte. Denn nachdem viele Rettungsmaßnahmen wirkungslos blieben, deuten sich nun Fortschritte an.

Erstmals spielte Sead Kolasinac für Schalke, ein Leihspieler vom FC Arsenal mit königsblauem Herzen, das war beeindruckend. Sofort trug der Bosnier die Kapitänsbinde und agierte mit einem Selbstvertrauen, das die meisten anderen Schalker in den Monaten der Dauerrückschläge verloren hatten. »Er ist eine Persönlichkeit, und wir brauchen Persönlichkeiten in der Mannschaft«, sagte Gross. Vor dem neuen Linksverteidiger machte Amine Harit sein mit Abstand bestes Spiel seit Monaten, die drei Hoppe-Treffer bereitete der Marokkaner vor, das 4:0 schoss er selbst.

In der ersten Halbzeit, als Hoffenheim lange die bessere Mannschaft war und dieses Spiel auch eine ganz andere Richtung hätte nehmen können, hielt Torhüter Ralf Fährmann brillant. Und irgendwann in der zweiten Halbzeit verwandelte sich dieser Haufen hadernder Einzelspieler, der der FC Schalke zuletzt gewesen war, in eine echte Mannschaft, die sich anfeuerte, die füreinander kämpfte. »Spirit« war ein Wort, das Trainer Gross später immer wieder verwendete. »Die Mannschaft hat alles gemacht, um das Glück auf unserer Seite zu halten«, sagte der 66 Jahre alte Schweizer. Außerdem hatten sie sich auf die »Basics« konzentriert, wie Kolasinac erklärte: »Einfache Pässe, Zweikampfführung, Kommunikation.« Und Hoppe war der Mann, der den Prozess der Genesung mit drei sehr schönen Toren beschleunigte.

Ausgebildet wurde er in der Jugendakademie des FC Barcelona, war dort aber keines dieser Toptalente, die seit Jahren von den Scouts verschiedener Großklubs beobachtet und umworben werden. 2019 wechselte er ablösefrei in Schalkes U19, erzielte dort in seinem ersten Jahr in 17 Spielen drei Tore, bevor er im laufenden Spieljahr 16 Mal bei den Erwachsenen in der Schalker Regionalligamannschaft zum Einsatz kam und ein Tor schoss. »Er ist ein sehr ruhiger und sehr lieber Junge«, sagte Kolasinac über den jungen Kollegen, »aber auf dem Platz geht er ab.«

Bis zur Ankunft des neuen Trainers Christian Gross durfte das Talent nur einmal in der Startelf der Schalker Profis spielen, im November war das unter Manuel Baum. Hoppe blieb unauffällig, die Mannschaft verlor 1:4 in Mönchengladbach. Nun profitiert Hoppe von Gross’ Umgang mit jungen Spielern. Im ersten Spiel des Jahres beim 0:3 bei Hertha BSC spielte der Teenager noch als Ersatz für den damals verletzten Benito Raman, nun sagte der Trainer: »Wenn Sie einem Jungen die Chance geben, und ihn direkt wieder rausnehmen, ist das nicht so förderlich.« Also spielte Hoppe abermals und erlebte seinen großen, spektakulären Durchbruch, der zur Grundlage für eine Schalker Auferstehung werden soll.

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