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32 Teams, 32 Möglichkeiten

Handball-WM der Männer in Ägypten: Am Mittwoch geht’s los - unter Virusangst

  • Michael Wilkening, Kairo
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Grunde ist es eine einfache Rechnung. Wenn 32 Nationen an einer Weltmeisterschaft teilnehmen, gibt es für den Handball-Weltverband IHF 32 Mal die Möglichkeit, die TV-Rechte ideal zu vermarkten. Vor zwei Jahren bei der WM in Deutschland und Dänemark umfasste das Teilnehmerfeld nur 24 Mannschaften, so dass diesmal 33 Prozent höhere Erlöse möglich sind und eine deutlich höhere Reichweite für den Sport generiert werden kann - zumindest theoretisch.

»Wir möchten den Handball weiterentwickeln«, sagte IHF-Präsident Hassan Moustafa, als er vor zweieinhalb Jahren dafür votierte, mehr Ländern aus der »Familie« die Möglichkeit zu eröffnen, beim globalen Kräftemessen dabei zu sein. Am Mittwoch startet das Mammut-Turnier mit der Partie zwischen Gastgeber Ägypten und Chile, am 31. Januar soll der neue Weltmeister gekürt werden.

»Das bringt nicht nur Europa etwas, sondern gibt auch anderen Kontinenten die Chance, sich weiterzuentwickeln«, sagte Michael Wiederer, der Präsident des europäischen Verbandes EHF. Die Europäer waren in Sachen Vergrößerung vorausgegangen, denn bei der Europameisterschaft vor einem Jahr waren erstmals 24 Mannschaften statt wie zuvor 16 dabei. Die simple Mathematik der größeren Vermarktungschancen setzte sich bei der EHF wie bei der IHF durch.

An der »Mega-WM« haben die Verantwortlichen festgehalten, auch wenn die Voraussetzungen angesichts der Corona-Pandemie kompliziert geworden sind. Zuletzt mussten die Organisatoren ihre Pläne begraben, wenigstens 20 Prozent der Hallenkapazität auszunutzen. Nach Beschwerden der Spieler aus Europa war der Druck zu groß geworden, so dass die Partien jetzt, wie bei anderen Veranstaltungen derzeit üblich, ganz ohne Fans in den Hallen stattfinden werden.

Das hatte sich Hassan Moustafa, der seit mehr als 20 Jahren im Amt befindliche IHF-Präsident, anders vorgestellt. Der mächtige Handball-Boss wollte starke Bilder bei seinem »Heim-Turnier« produzieren. Emotionen und Begeisterung sollten in Wellen aus Nordafrika in die Welt schwappen, womit sich der Ägypter auch ein Stück weit selbst beschenken wollte.

Die Vorzeichen haben sich aber geändert, im Moment wird mehr über Hygienekonzepte und Infektionsgefahr gesprochen als über das erste Spiel der Ägypter in der 18 000 Zuschauer fassenden Arena in Kairo. Wochenlang rangen der Weltverband, der Ausrichter und die europäischen Nationen um ein schlüssiges Konzept, wie der Covid-19-Erreger möglichst von der WM ausgeschlossen werden soll. Helfen soll eine »Bubble« (Blase), in die sich alle Beteiligten während des Turniers begeben müssen. Spieler, Trainer, Schiedsrichter, Offizielle und Medienvertreter werden von der Außenwelt abgeschottet - sie dürfen die Hotels nur für Fahrten zum Training oder Spiel verlassen.

Der Aufwand ist riesig, alle an der WM beteiligten Personen dürfen die Blase erst betreten, wenn sie mindestens zwei negative Corona-Tests vorlegen können und werden während der Weltmeisterschaft alle drei Tage auf den Covid-19-Erreger getestet. So sollen Infektionen und damit auch negative Publicity verhindert werden.

Im Grunde ist Handball seit jeher eine europäische Sportart und die Versuche, sie außerhalb des »alten Kontinents« zu etablieren, zeitigten nur kleine Erfolge. In Nordafrika hat sich die Sportart durch die französischen Einflüsse etabliert. In den vergangenen Jahren hat sie zudem im Nahen Osten an Einfluss gewonnen.

Darüber hinaus ist Handball im Rest der Welt eine Randsportart. Vor etwa zehn Jahre scheiterte eine Charmeoffensive in den USA, so dass es kein Durchbruch auf dem lukrativen Markt in Nordamerika geben wird. Das ändert aber nichts daran, dass die Vereinigten Staaten nicht zuletzt wegen der Aufstockung auf 32 Teilnehmer in Ägypten vertreten sind. Das Handball-Entwicklungsland hat keine Chance, die Hauptrunde zu erreichen. Zudem ist am Dienstag im Team der USA das Coronavirus ausgebrochen. 18 Spieler und der Trainer sind infiziert.

Sportlich wird sich an den Kräfteverhältnissen in den zweieinhalb Wochen in den Arenen in und um Kairo nichts ändern. Wenn die Medaillen ausgespielt werden, dürfte neben den Topnationen aus Europa nur Ägypten eine Außenseiterchance haben, sofern man der Statistik glaubt. Nur zwei Mal war eine außereuropäische Nation unter den besten Vier einer WM, jedes Mal war es der Gastgeber, dem das gelang. Tunesien (2005) und Katar (2015) stießen bei ihren Heimturnieren jeweils ins Halbfinale vor, Katar schaffte es ins Endspiel und landete am Ende auf dem Silberrang.

Vermutlich bleiben die Europäer am Ende unter sich. Titelverteidiger Dänemark, Europameister Spanien, Rekord-Champion Frankreich oder die Geheimfavoriten Norwegen und Slowenien rechnen sich Chancen aus, am Ende den WM-Pokal in die Luft zu strecken.

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