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Unverhoffte Konkurrenz

Für den Posten des Linke-Bundesgeschäftsführers gibt es jetzt zwei Kandidaten.

Wir können das besser« - das ist die Botschaft von Thomas Westphal. Wir können das besser heißt: Die Linkspartei hat bei der Europawahl 2019 mit nur 5,5 Prozent eine schwere Schlappe kassiert, und so etwas soll sich nicht wiederholen. Westphal formuliert diesen Anspruch in einem Bewerbungsschreiben, mit dem er seine Kandidatur für den Posten des Linke-Bundesgeschäftsführers anmeldet.

Damit gibt es an dieser Schaltstelle in der Linke-Führung eine Konkurrenzsituation. Denn der seit zweieinhalb Jahren amtierende Jörg Schindler hat seine Bereitschaft zur erneuten Kandidatur schon vor einiger Zeit erklärt. Es stehen sich zwei Kandidaten gegenüber, die zumindest auf den ersten Blick allerhand Gemeinsamkeiten aufweisen: zwei Männer um die 50, beide aus dem Osten - der eine aus Sachsen-Anhalt, der andere aus Sachsen -, und beide liefern ganz ähnliche politische Stichworte. Gerechte Verteilung der Krisenkosten, stärkerer Sozialstaat, Vermögensabgabe für Reiche und Supereiche, Reprivatisierung des Gesundheitssystems - mit diesen und weiteren Forderungen beschreibt Westphal in seinem Bewerbungsschreiben sein Profil. Ganz Ähnliches sagte Schindler auf entsprechende Fragen erst kürzlich im nd-Interview.

Kontrovers wird es bei der Kritik, die Westphal artikuliert. Die schlechten Ergebnisse der Linken bei der EU-Wahl und einigen Landtagswahlen seien nicht ordentlich aufgearbeitet worden, meint er. Auf nd-Nachfrage erklärt er, was er damit meint: »Hatten wir die richtige Strategie? War die Zuspitzung in der innerparteilichen Auseinandersetzung zwischen dem Kipping- und dem Wagenknecht-Lager richtig? Mussten wir die Fragen von Flüchtlingspolitik und Integration so konfrontativ auf die Spitze treiben?« Er meint aber auch Handwerkliches: Das Einmaleins des Wahlkampfs sei nicht ausreichend praktiziert worden; es habe beispielsweise keine einheitliche Kommunikationslinie und keine ausreichende Betreuung der Wahlkämpfer vor Ort gegeben. »Wir hatten viel Schaufensterpolitik, aber zu wenig konkrete Parteiarbeit.« Die Debatten unter Genossen über solche Unzufriedenheiten in organisatorischen Dingen mündeten in der Frage, ob er nicht als Bundesgeschäftsführer kandieren wolle, erzählt Westphal.

Jörg Schindler hingegen verweist gegenüber »nd« auf erfolgreiche Wahlkämpfe in seiner Amtszeit, etwa in Bremen, wo die Linke erstmals in einem westlichen Bundesland mitregiert, und in Thüringen, wo sie mit Abstand stärkste Partei wurde und den Regierungschef stellt. Zur EU-Wahl sagt er selbstkritisch, dass das Profil der Partei für die Wähler »nicht deutlich genug erkennbar war«. Im Wahljahr 2021 wolle er zu einem angriffslustigen Kampf der Linken um neue soziale Mehrheiten beitragen.

Interessant wird die Konkurrenz um den Geschäftsführerposten vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen in der Linken. Westphal, früher beim Linke-Parteivorstand angestellt, gehört zum engsten Umfeld des Bundesfraktionschefs Dietmar Bartsch und leitet seit 2016 das Vorstandsbüro der Fraktion. Das Flügel- und Strömungsgeschehen in der Linken ist in stetiger Bewegung; das sogenannte Hufeisenmodell in der Bundestagsfraktion - der Schulterschluss zwischen linkem und Realoflügel, für den vor allem Bartsch und Sahra Wagenknecht standen - wird inzwischen von vielen kritisch gesehen. In diesen Debatten dürften die Karten mit den beiden künftigen Parteivorsitzenden noch einmal neu gemischt werden.

Beinahe unnötig zu erwähnen, dass Westphal und Schindler die wahrscheinlichen künftigen Vorsitzenden - Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler - loyal unterstützen wollen. Das letzte Wort spricht der Parteitag, der eigentlich letztes Jahr in Erfurt stattfinden sollte, dann wegen der Coronakrise zweimal verschoben werden musste und nun für Ende Februar in einer Mischung aus analogen und digitalen Sitzungsteilen geplant ist. Die Organisatoren blicken schon jetzt gespannt auf das vorgezogene Krisentreffen von Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten nächste Woche, auf dem womöglich weitere Lockdown-Maßnahmen beschlossen werden. Gut möglich, dass die Parteitagsplaner dann noch einmal neu nachdenken müssen. Viel zu tun also für den Bundesgeschäftsführer.

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