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Gesünder lernen aus der Ferne

Lehrer, Eltern und Gewerkschaften sprechen sich für Fortsetzung des Distanzunterrichts aus

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 4 Min.

Weiterhin Distanzunterricht oder eine Mischung aus Homeschooling und Präsenzbetrieb? An diesem Mittwochnachmittag entscheidet der Senat, wie es an den Berliner Schulen ab kommender Woche weitergehen soll. Die grundsätzliche Position von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hierzu ist kein großes Geheimnis. Zwar ist sie inzwischen - wenigstens öffentlich - davon abgerückt, Schulen zu infektionsirrelevanten Räumen zu erklären. Zugleich hat sie jüngst wiederholt deutlich gemacht, so bald und so umfassend wie möglich zumindest zum Teilpräsenzunterricht zurückkehren zu wollen, und sei es nur für die wenigen Tage bis zu den am 1. Februar beginnenden Winterferien. Ob sie weiter daran festhält, ist unklar.

Selbstverständlich werde Scheeres mit einem Vorschlag in die Senatssitzung am Mittwoch gehen. «Aber wir halten uns mit Details jetzt bedeckt», sagt ein Sprecher der Senatsbildungsverwaltung zu «nd». Aus nachvollziehbaren Gründen: Schließlich hat Scheeres immer noch den Sturm der Entrüstung zu verdauen, der vor gut zwei Wochen ihrer Ankündigung folgte, zuerst die abschlussrelevanten Jahrgänge und danach schrittweise die Grundschulkassen wieder zurück in die Schulen zu schicken. Der Ärger war so groß, dass die Bildungsverwaltung am Ende ihre eigenen Pläne kassierte.

Klar ist, dass mit etwaigen Teilöffnungsplänen in der Hauptstadt aktuell kein Blumentopf zu gewinnen ist. «Eine Öffnung der Schulen vor den Winterferien fände ich sehr kurzsichtig gedacht», sagt etwa Marco Fechner vom Bezirkselternausschusses Pankow. Im Vordergrund müsse in der aktuellen Situation der Infektionsschutz an den Schulen stehen, der mit einer voreiligen Öffnung leichtfertig aufs Spiel gesetzt werde, so der Vater einer Drittklässlerin zu «nd». Er betont, dass er keinesfalls im Namen aller Berliner Eltern, nicht einmal im Namen des Elternausschusses spreche. «Aber ich persönlich würde sagen, wir müssen erst einmal weiter auf Sicht fahren.»

Nun steht das Auf-Sicht-Fahren bei den Schulen spätestens seit dem ersten Lockdown im Frühjahr vergangenen Jahres nicht mehr unbedingt hoch im Kurs. So fordert Sven Zimmerschied, Co-Sprecher der Vereinigung der Berliner Sekundarschulleiterinnen und -schulleiter, von der Bildungsverwaltung vielmehr «Verlässlichkeit und Planungssicherheit», dabei aber auch für die demokratisch gewählten Schulgremien «einen gewissen Korridor» der Entscheidungsfreiheit. Bei der Frage nach etwaigen Teilöffnungen ab kommenden Montag winkt jedoch auch Zimmerschied ab. «Wir reden hier von einer Woche bis zu den Ferien. Das macht keinen Sinn», sagt der Leiter der Friedensburg-Oberschule in Charlottenburg.

Deutlich ist auch die ablehnende Haltung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). So verweisen die GEW-Landesvorsitzenden Tom Erdmann und Doreen Siebernik auf die anhaltend hohe Corona-Gefährdungslage - und in diesem Zusammenhang auch auf die zu erwartende Verlängerung der Infektionsschutzmaßnahmen am Mittwoch: «Sollten die derzeitigen bundesweiten Einschränkungen verlängert oder verschärft werden, müssen auch die Schulen geschlossen bleiben.»

Dass die Gewerkschaft mit dieser Forderung bei der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus offene Türen einrennt, überrascht wenig. Seit Wochen macht sich deren Bildungsexpertin Regina Kittler dafür stark, dass es bis zu den Winterferien beim allgemeinen Distanzunterricht bleibt. «Sonderregelungen in Kleinstgruppen» sollte es lediglich für Schüler geben, die uns sonst verloren gehen, sowie zur unbedingt Präsenz erfordernden Prüfungsvorbereitung«, so Kittler zu »nd«. Und dabei sollte man es auch in der kommenden Woche belassen. »Erst nach den Ferien könnte Wechselunterricht in maximal halber Klassenstärke realisiert werden, aber auch nur, wenn es die Bedingungen erlauben, und das heißt: deutlich rückläufige Inzidenzen, kontinuierliche Schnelltests, FFP2-Masken für alle Beschäftigten und ausreichend Lüftungsanlagen.«

Marianne Burkert-Eulitz, bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, setzt hier insbesondere auf eine »mittel- und langfristige Schnellteststrategie«. Eine solche war jüngst auch von Bildungssenatorin Scheeres selbst angekündigt worden, wobei sie Details zur Ausgestaltung und Finanzierung bislang schuldig blieb. Was die Möglichkeit einer Teilöffnung betrifft, betont Grünen-Politikerin Burkert-Eulitz, dass man hier vor einem generellen Dilemma stehe: »Je länger die Schulen geschlossen bleiben, desto größer können beispielsweise die Lernrückstände werden.« Dem stehe aber »die epidemiologische Notwendigkeit« entgegen, die Füße so lange stillzuhalten, bis die Infektionszahlen erkennbar nach unten gegangen sind. »Aus bildungs- und familienpolitischer Sicht müssen die Schulen und Kitas trotzdem als Erste wieder am Start sein.«

Die Größe des Daheimbeschulungselends hängt dabei von vielen Faktoren ab: von der der Digitalausstattung ebenso wie von den Möglichkeiten und der Motivation der Eltern, Lehrer und Schüler. Schulleiter Sven Zimmerschied berichtet beispielsweise, dass der Distanzunterricht über digitale Lernplattformen an der Friedensburg-Oberschule inzwischen bei fast allen der insgesamt über 1200 Schüler gut funktioniere. »Wir haben ein Niveau erreicht, das geht in die Nähe von Präsenzunterricht.«

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