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  • Hauptpersonalrat Berlin

Brüchige Gewerkschaftsfront

Streit um Zusammenarbeit mit rechtsoffener Liste im Hauptpersonalrat

  • Rainer Balcerowiak und Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Der rot-rot-grüne Senat erleichtert die Arbeit von Betriebs- und Personalräten in der Coronakrise. Bislang unterlagen die Mitbestimmungsgremien den gängigen Pandemiemaßnahmen. Deshalb konnten Präsenzveranstaltungen nicht mehr wie gewohnt durchgeführt werden. Mit der Veröffentlichung der neuen Infektionsschutzverordnung gilt für Veranstaltungen von Betriebs- und Personalräten demnächst eine Ausnahmeregelung bei Personenobergrenzen. »Wir haben ermöglicht, dass die Betriebs- und Personalräte mit mehr als 20 Personen tagen können«, erklärte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Dienstag im Anschluss an die Senatssitzung im Roten Rathaus. Einige Beschlüsse müssten in Präsenzsitzungen gefasst werden, so der Regierende. Deshalb würden solche Zusammenkünfte in Ausnahmefällen ermöglicht. Grundsätzlich seien sich aber alle Betriebs- und Personalräte ihrer Verantwortung bezüglich der Eindämmung der Pandemie bewusst, betonte der Senatschef.

Verdi kündigt Wahlbündnis auf

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Damit können sich auch die 31 Mitglieder des Hauptpersonalrats des öffentlichen Dienstes im Land Berlin in kompletter Runde treffen. Bei der Wahl des 15-köpfigen Vorstands im Dezember 2020 kam es zum Eklat. Entgegen einer ursprünglichen Absprache, laut der sich die Vertreter der Verdi-Liste und der gemeinsamen Liste von GEW, GdP und IG BAU über die Besetzung dieser Leitungsfunktionen verständigen sollten, kündigte Verdi dieses informelle Bündnis der vier im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) organisierten Gewerkschaften auf und kooperierte stattdessen mit dem Deutschen Beamtenbund. Um sich eine Mehrheit zu sichern, ließen sich die Kandidaten von Verdi und Beamtenbund von einer weiteren Liste, die unter dem Namen »Die Unabhängigen - jetzt reicht’s« in das Gremium einzog, mitwählen, beziehungsweise tolerieren. Der Streit war eskaliert, weil Verdi vor der Wahl erklärt hatte, bestimmte Kandidat*innen der Bildungsgewerkschaft GEW nicht mitwählen zu wollen, was diese als nicht hinnehmbaren Affront wertet.

Fehlende Abgrenzung nach rechts

Die Unabhängigen haben sich in bewusster Abgrenzung zu den Gewerkschaften konstituiert und vor allem unter Polizisten, aber auch in der Verwaltung, relativ viele Unterstützer. GEW, GdP und IG BAU wiesen in einer gemeinsamen Erklärung darauf hin, dass man keine Kooperation mit Gruppen und Einzelvertretern akzeptieren könne, »die populistische, intolerante und antigewerkschaftliche Positionen vertreten, sowie des Öfteren den DGB als Institution sowie einzelne Funktionäre in DGB-Gewerkschaften öffentlich verbal angegriffen haben«. Eine Verdi-Kollegin habe sich von Personen zur Hauptpersonalratsvorsitzenden wählen lassen, »die eine klare Abgrenzung nach rechts vermissen lassen und mit rechten Positionen sympathisieren«. Damit werde »der Wertekonsens des DGB verlassen«.

So leugnen Die Unabhängigen vehement die Existenz rechter Netzwerke in der Polizei und zogen auch gegen das Antidiskriminierungsgesetz des Landes Berlin zu Feld, da Polizisten dadurch unter Generalverdacht gestellt werden würden. Zwar äußert sich die Gruppe in offiziellen Verlautbarungen relativ zurückhaltend, doch ein Blick in ihre Chats in sozialen Netzwerken macht deutlich, in welchem politischen Umfeld sie sich bewegt.

Allerdings ist auch der Zusammenhalt der drei DGB-Gewerkschaften brüchig geworden. Bei einer Nachwahl zu Vorstandsgremien des Hauptpersonalrats ließ sich offenbar auch die Polizeigewerkschaft GdP auf Absprachen mit den Unabhängigen ein. So ist es jedenfalls aus GEW-Kreisen zu hören. Das ist allerdings nicht verifizierbar, weil die Stimmen von ver.di, dem dbb und den beiden GdP-Kollegen für deren Wahl ausgereicht hätten. Eine Abkehr von dem bislang gemeinsamen Vorgehen mit GEW und IG BAU ist es allerdings eindeutig. Bei der GdP war zunächst niemand für eine Stellungnahme zu erreichen, offiziell will sich auch die GEW nicht äußern. Man bleibe aber dabei, eine Kooperation mit »rechtsoffenen« Gruppen strikt abzulehnen, hieß es. Auch könne man sich Personalien nicht von Kooperationspartnern vorschreiben lassen, war zu vernehmen. Zu den Gründen der Ablehnung ihrer Kandidat*innen äußerten sich GEW-Vertreter höchstens schmallippig: Es sei vor allem um »persönliche Animositäten« gegangen, aber auch schlicht um begehrte Vorstandsposten, die mit einer Dienstfreistellung verbunden sind, hieß es.

Der DGB will die Wogen glätten

Verdi will ebenfalls den Ball flach halten. Eine offizielle Stellungnahme mochte auf Anfrage niemand abgeben. Im Gespräch verwies ein Verdi-Vertreter aber darauf, dass die Vorwürfe gegen die Unabhängigen in dieser Pauschalität nicht belegt seien. Natürlich sei man über das Zerwürfnis im Hauptpersonalrat nicht erfreut und hätte sich auch ein anderes Vorgehen gewünscht. Allerdings habe man als Gewerkschaft keine Weisungsbefugnis gegenüber von der Belegschaft gewählten Personalrät*innen.

Nicht bestätigt, aber auch nicht dementiert wurden Informationen, laut denen derzeit Gespräche zwischen den in der Frage des Hauptpersonalrats zerstrittenen Gewerkschaften stattfinden, in die sich auch der Berliner DGB als Dachverband eingeschaltet hat. Der Ausgang dieses eigentümlichen Konflikts scheint allerdings offen zu sein.

Nach Erscheinen der ersten Version dieses Artikels erreichte das »nd« überdies eine Stellungnahme der Gewerkschaft der Polizei. »Selbstverständlich haben wir auch nach der Wahl zahlreiche Gespräche im Rahmen der DGB-Gewerkschaften geführt. Bei diesen ist deutlich geworden, dass die gewählte Vorsitzende auf unsere Expertise nicht verzichten möchte, weshalb zwei Kollegen von uns in den Vorstand gewählt wurden«. Absprachen mit den Unabhängigen habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben, betonte der Sprecher der GdP Berlin, Benjamin Jendro.

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