Gladbach wirft Stuttgart raus

Die Borussia hat im DFB-Pokal ein großes Ziel, der VfB ein großes Problem

Lars Stindl stand die Freude ins Gesicht geschrieben, als er den 2:1-Sieg von Borussia Mönchengladbach über den VfB Stuttgart kommentierte. Einen »echten Pokalfight« hatte der Nationalspieler miterlebt, der sich - bei einem Wohnort am Niederrhein nicht eben überraschend - sogar über den »starken Regen« gefreut hatte. Denn auch der habe zur geradezu englischen Pokalatmosphäre beigetragen, die er so liebt. Höflich, wie Stindl nun einmal ist, hat er am Mittwochabend nicht noch einmal wiederholt, was ein weiterer Grund für seine Freude gewesen sein dürfte. Schon als kleiner Junge ließ sich Stindl in jedem Sommer das aktuelle Trikot des Karlsruher SC schenken, dessen Fan er noch heute ist und der eine innige, nicht selten ins Pathologische abdriftende Fanfeindschaft mit dem großen Nachbarn östlich von Baden zelebriert.

Vor der Partie hatte der nach seinem Sabbatical erstmals wieder bei einem Spiel erschienene Gladbacher Sportdirektor Max Eberl den Wettbewerb als »kürzesten Weg zum Blech« bezeichnet. Und sonderlich vermessen ist der Traum vom Pokalgewinn ja auch nicht. Mit den Bayern, Leipzig, Leverkusen und Frankfurt sind schließlich vier der sechs Mannschaften schon ausgeschieden, die in der Liga über der Borussia rangieren. In der Champions League bekommt man es hingegen bald mit Manchester City zu tun, das zuletzt 13 Pflichtspiele in Folge gewann. Und was die Bundesliga angeht, macht sich Trainer Marco Rose schon gar keine Illusionen: »Die Bayern werden wir wahrscheinlich nicht mehr holen dieses Jahr. Bei allem, was ich meinen Jungs zutraue, die sind schon ein bisschen weiter weg.«

Dass die Partie angesichts der spielerischen Qualität der beiden Kontrahenten unterhaltsam werden könnte, hatten viele schon im Vorfeld prognostiziert. Nach 92 Sekunden wurde die Vermutung zur Gewissheit. Denn nach dem frühen Stuttgarter Treffer von Silas Wamangituka verbot sich für Gladbach jedes Taktieren. Die Borussia hatte dann die besseren Chancen - und nutzte zwei davon auch. Der Ausgleich von Marcus Thuram in der Nachspielzeit der ersten Hälfte war völlig verdient. Dem 2:1 von Alassane Plea fünf Minuten nach Wiederanpfiff ging ein Torwartfehler von Fabian Bredlow voraus, der nach dem Spiel selbst fand, dass er da »wie ein Idiot« ausgesehen habe. »Fabi hat es verdient auf dem Platz zu stehen, er ist beim 1:2 auch nur am Ende einer Fehlerkette«, fand derweil sein Trainer. Was das Große und Ganze anging, war Pellegrino Matarazzo hingegen nicht so gnädig gestimmt: »Man muss nicht immer das Positive rausziehen, manchmal muss man ein Spiel auch einfach abhaken.«

Das taten nach dem Spiel auch die Stuttgarter Verantwortlichen recht flott, schließlich galt es die Tatsache zu kommentieren, dass der Landes-Datenschutzbeauftragte den Schwaben am Mittwoch »erhebliche Datenschutzverstöße« im Zusammenhang mit der illegalen Weitergabe von Mitgliederdaten attestiert hatte. »Ich wusste schon seit letzter Woche, dass es ein Bußgeldverfahren gibt«, sagte Vorstandschef Thomas Hitzlsperger, der mit dem Präsidenten des Vereins, Claus Vogt, eine Dauerfehde führt. »Wir haben noch Neues erfahren. Und jetzt geht es darum, auch weiter so zu kooperieren.« Dass der Verein bisher gut mit den staatlichen Ermittlern zusammengearbeitet habe, hatte Brink in seinem Bericht lobend erwähnt.

Ob sich die mit krimineller Energie betriebene Affäre um das Guerillamarketing im Vorfeld der 2017 mit großer Mehrheit beschlossenen Ausgliederung der Profiabteilung damit einem Ende nähert, ist indes fraglich. Führende Vereinsmitarbeiter hatten - womöglich im Auftrag oder zumindest mit Wissen von Angehörigen der Gremien - eine als neutrale Fanseite getarnte Agentur damit beauftragt, Stimmung für die Ausgliederung zu machen und dabei die Daten von etwa 35 000 Vereinsmitgliedern zweckentfremdet. Mindestens 600 000 Euro soll das den VfB gekostet haben. Nach seiner Wahl im Dezember 2019 hatte Vogt ebenso wie zuvor Hitzlsperger eine konsequente Aufklärung gefordert und eigenmächtig die Forensiker von »Esecon« mandatiert, deren Arbeit beim DFB von Beobachtern als parteiisch kritisiert wird.

Beim VfB Stuttgart ziehen sich die Ermittlungen nun schon seit Monaten hin und kosten erneut viel Geld. Doch obwohl maßgebliche Funktionäre seit geraumer Zeit erstaunliche Erinnerungslücken offenbaren und damit auch Vereinsmitarbeiter gegen sich aufbringen, die keinem der beiden zerstrittenen Lager zuzurechnen sind, könnte es beim Bundesligaaufsteiger nun schon bald Konsequenzen geben. Der Abschlussbericht soll seit Dienstag vorliegen und Brisantes zutage gebracht haben. Mindestens genauso spannend ist derweil die Frage, wer den Mitgliedern bei der anstehenden Wahl des Vereinspräsidenten präsentiert werden wird, die im März oder September stattfinden wird. Nachdem Hitzlsperger vor einigen Tagen seine Kandidatur zurückgezogen hat, vermuten viele, dass der Vereinsbeirat, der laut Satzung das Vorschlagsrecht hat, nun auch Vogt aus dem Rennen nimmt - um vielleicht den Dauerkonflikt derart zu befrieden, dass ein lachender Dritter Präsident wird.

Dass dieses Kalkül aufgeht, ist indes unwahrscheinlich. Schon jetzt schlagen in den Internetforen die Emotionen bei vielen Mitgliedern hoch. Sie fänden es ein Unding, wenn ein mit Mehrheit gewählter Präsident nicht die Chance bekäme, sich zur Wiederwahl zu stellen. Wer finde, dass Vogt schlechte Arbeit gemacht habe, könne ja einen anderen Kandidaten wählen, argumentieren sie.

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