Jungbrunnen dank Crispr/cas9?

Von Reinhard Renneberg

  • Reinhard Renneberg
  • Lesedauer: 2 Min.

Statt Pubertät - Vergreisung: Die genetisch bedingte Hutchinson-Gilford-Progerie ist ein hartes Schicksal. Das griechische Adjektiv progéros bedeutet vorzeitig alt. Das Krankheitsbild wurde erstmals 1886 von Jonathan Hutchinson und Hastings Gilford beschrieben. Die Erkrankung ist mit Wachstumsstörungen verbunden und die Kinder verwandeln sich in junge Greise. Sie werden selten älter als 14 Jahre.

Die Ursache ist eine einzige Punkt-Mutation im sogenannten Lamin-A-Gen, das die Informationen für einen wichtigen Baustein der Zellkern-Membran trägt. Dabei ist eine einzige DNA-Base von Cytosin (C) zu Thymin (T) verändert, was zur Produktion des Proteins Progerin führt. Schnelle Alterung ist die Folge.

Doch nun könnte eine Therapie kommen: Ein Team von US-Forschern konnten bei Mäusen die krankheitserzeugende Mutation korrigieren. (»Nature«, doi: 10.1038/s41586-020-03086-7). Dass nur eine einzige Mutation die Krankheit verursacht, ermöglichte den Einsatz einer neuartigen DNA-Basen-Editing-Technik für die Korrektur. Das ist eine abgewandelte Form des Crispr/Cas9-Systems, bei er einzelne Basen exakt an einer bestimmten Stelle im Genom verändert werden können.

Zunächst wandten die Forscher die Crispr-Basen-Editing-Methode an Bindegewebszellen von Progerie-Patienten an, die sie im Labor vermehrt hatten. Dabei konnten sie die Mutation in rund 90 Prozent der Zellen korrigieren!

Dann folgten Versuche an Mäusen, die eine entsprechende Punkt-Mutation in ihrem Lamin-A-Gen besitzen. Wie menschliche Progerie-Patienten zeigen diese Mäuse vorzeitige Alterungserscheinungen und haben eine deutlich verkürzte Lebenserwartung. Den »Progerie-Mäusen« injizierten die Wissenschaftler kurz nach der Geburt sogenannte Adeno-Assoziierte Viren (AAV) - die harmlose Variante eines Erkältungsvirus - die das »Basenkorrektur«-Werkzeug in sich trugen.

Der Gen-Editor konnte die korrekte DNA-Sequenz des Lamin-A-Gens in eine Vielzahl von Zellen verschiedener Organe der Mäuse wiederherstellen, auch im Herzen und in der Aorta. Viele der Zelltypen trugen auch noch sechs Monate nach der Behandlung die korrigierte DNA-Sequenz. Die Progerin-Produktion ging stark zurück, die Symptome wurden gelindert und die Lebensdauer stieg von sieben Monaten auf 1,5 Jahre. Die normale Lebenserwartung von Mäusen beträgt etwa zwei Jahre.

Diese Ergebnisse lassen auf eine effektive Behandlung der menschlichen Erkrankung hoffen. Aber die Erfahrung zeigt: Der Weg von der Maus zum Menschen kann länger dauern. Und wer glaubt, dass damit das Problem des Alterns gelöst wäre, wird wohl herb enttäuscht werden: Progerie ist wahrscheinlich kein geeignetes Modell für die sehr komplexen Vorgänge beim »physiologischen« Alterungsprozess.

Der alternde Optimist RR träumt, geprägt in der DDR durch das Jugendweihe-Buch »Weltall - Erde - Mensch«, trotz alledem vom Crispr-Jungbrunnen …

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