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Impfen jetzt neu in der Trickkiste
Ulrike Henning über eine Idee von Arbeitgebern zur Pandemiepolitik
Großunternehmen sollten auch impfen, so Arbeitgeberpräsident Dulger vorab zu den Beratungen von Bund und Ländern. Natürlich nur ihre Belegschaften und auch erst dann, wenn genügend Impfstoff da ist. Die Betriebsärzte sollten dann aktiv werden und das Ganze sei zur Ergänzung der staatlichen Infrastruktur gedacht. Eine gute Idee, möchte man meinen, dann ginge es schneller vorwärts mit der Immunisierung im ganzen Land.
Ob Belegschaften, Betriebsräte und Gewerkschaften die Initiative auch begrüßen, ist fraglich. Denn nicht jeder will geimpft werden, und noch geringer dürfte die Bereitschaft sein, den Impfstatus als Beschäftigungsvoraussetzung zu begrüßen. Wer den Unternehmen jetzt die Chance gibt, sich in dieser Frage in die Gesundheitspolitik einzumischen, öffnet eine Tür, die später vielleicht nicht mehr zu schließen ist - mit anderen Worten, die Hintertür für Privilegien von Geimpften. Zugleich wäre es ein Präzedenzfall für den Zugang zu Gesundheitsdaten von Beschäftigten.
Wenn Unternehmen schon die Gesundheit ihrer Belegschaften fördern wollen, gibt es dafür noch eine Menge anderer Möglichkeiten: Die nötigen Hygienemaßnahmen in der Pandemie konsequent umsetzen, auch wenn hier kaum kontrolliert wird. Eltern bei der Kinderbetreuung unterstützen oder mehr Freiraum für die Pflege von Angehörigen einräumen.
Nicht zuletzt: Arbeitsplätze sichern. Denn die Impfidee war nicht der einzige Punkt in der Stellungnahme der Arbeitgeberverbände. Zugleich warnte Dulger nämlich vor Stellenabbau, falls Bund und Länder kein Öffnungsszenario für die Zeit nach dem Lockdown beschließen würden. Das Angebot zur Immunisierung ist also nur ein schwacher Köder dafür, der Wirtschaft den Zugang zu Produzenten und Konsumenten schnell wieder frei zu machen.
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