• Berlin
  • Aktuellen Stunde im Abgeordnetenhaus

Lehren aus Hanau für Berlin

Abgeordnetenhaus der Hauptstadt erinnert an die Opfer der rassistischen Morde von Hanau

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Gedenken der Opfer des rechtsextremen Anschlags im hessischen Hanau, bei dem vor einem Jahr zehn Menschen ermordet wurden, hat sich das Abgeordnetenhaus mit den Lehren aus der Terrorserie beschäftigt. »Die Morde von Hanau betreffen uns alle, auch hier in Berlin«, sagte Raed Saleh am Donnerstag in der Aktuellen Stunde des Landesparlaments. Der SPD-Fraktionschef erinnerte an die Geschichten der zehn Menschen, die von dem Rechtsextremisten erschossen worden waren. »Die wichtige Erkenntnis von Hanau ist: All die Toten waren Menschen wie Du und ich«, betonte Saleh. »Deutsch sein heißt nicht, dass man einen deutschen Pass hat, sondern dass man sich als Deutscher begreift.«

Auch die Rednerinnen und Redner von CDU, FDP, Grünen und Linken bezogen sich auf die Namen und Geschichten von Menschen, die in Hanau dem rassistischen Hass zum Opfer gefallen sind. »Der Täter von Hanau handelte aus einer wilden Mischung aus Rassismus, Antisemitismus und Misogynie«, erklärte Anne Helm, die Fraktionschefin der Linksfraktion. Sie kritisierte die bis heute fehlende Aufklärung der rechten Strukturen, in die der Täter eingebunden gewesen ist: »Eine lückenlose Aufklärung findet nicht statt, die Einzeltäterthese hält sich hartnäckig.« Die Linkspartei-Politikerin forderte, rechte Netzwerke in Sicherheitsbehörden und der Bundeswehr endlich zu entwaffnen und zu zerschlagen. Man müsse überdies die Wut von Migrantinnen und Migranten ernstnehmen, die durch die Versäumnisse in Ermittlungen zu rechten Netzwerken wie dem NSU, zu Neukölln oder Hanau entstanden sei.

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Auch die Vorsitzende der Grünen-Frak᠆tion, Antje Kapek, sagte, sie sei wütend, wenn der Rechtsstaat wie im Fall von Hanau seine Bürgerinnen und Bürger nicht gleich schützt. »Weder Hanau noch der NSU noch die Anschlagsserie in Neukölln sind vollständig aufgeklärt«, monierte Kapek. Die Grünen-Politikerin schlug deshalb die Einrichtung einer »Enquetekommission zur Bekämpfung des Rassismus« vor, die in der kommenden Legislatur im Parlament seine Arbeit aufnehmen soll, um rassistische Strukturen auch in Berlin zu entlarven. Schließlich sind auch im Fall der Terrorserie in Neukölln 70 rechtsextreme Straftaten bis heute nicht aufgeklärt.

Daran, dass auch Berlin von strukturellem Rassismus betroffen ist, erinnerte ebenfalls der FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja, der mahnte, die Demokratinnen und Demokraten dürften sich in dieser Frage auf keinen Fall auseinanderdividieren lassen.

Das sieht man in der CDU-Fraktion offenbar etwas anders. Zwar bekundete auch der Fraktionschef der Christdemokraten, Burkard Dregger, seine »Abscheu« gegenüber den rassistischen Morden. Um nur wenig später eine »klare Haltung gegen jede Form des Extremismus« einzufordern, weil es keinen Unterschied mache, aus welcher Ecke der Angriff komme. In eine ähnliche Richtung schwadronierte ein Redner der AfD.

»Allein die Tatsache, dass in diesem und in anderen Parlamenten eine Partei wie die AfD sitzt, ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer«, erklärte Grünen-Fraktionschefin Kapek. Die Partei bereite den »Nährboden« für solche Taten wie in Hanau.

Dass der Staat in den vergangenen Jahren insbesondere gegenüber den Opfern rassistischer Angriffe Fehler gemacht und Vertrauen verspielt habe, räumte Innensenator Andreas Geisel ein. Der SPD-Politiker sagte: »Ich bitte um Verzeihung bei den Angehörigen der Opfer und den Betroffenen, dass dieses Gefühl entstanden ist.« Hinwendung und Empathie seien zu oft auf der Strecke geblieben. Der Innensenator kündigte einmal mehr an, die Kommunikationsdefizite der Ermittlungsbehörden angehen zu wollen.

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