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  • Landeswaldgesetz in Schleswig-Holstein

Keine Naturschutzdelikte aus der Portokasse

Verschärfung des Landeswaldgesetzes in Schleswig-Holstein gefordert

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 4 Min.

Gleich mehrere Fälle von massiven Verstößen gegen geltendes Recht des Bundesnaturschutzgesetzes hat es zuletzt in Schleswig-Holstein gegeben, die den dortigen Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) jetzt tätig werden lassen, eine Strafverschärfung zu fordern.

Schleswig-Holstein als waldärmstes Flächenland sieht dringenden Handlungsbedarf. Vor dem verbindlichen Rodungsverbot zwischen dem 1. März und dem 30. September ist es nämlich zu gleich mehreren Auswüchsen unter dem Radar der Kontrollbehörde vor Ort gekommen, indem häufig an Wochenenden oder auch an Feiertagen agiert wurde. Anwohner mussten anschließend erzürnt feststellen, wie große schützenswerte Natur- und Waldflächen mit schwerem Gerät systematisch zerstört wurden, ohne dass dafür eine Genehmigung vorlag.

Derzeit sieht eine Ahndung gemäß des entsprechenden Bußgeldkatalogs eine maximale Strafe in Höhe von 50 000 Euro vor. Das ist für die Umweltsünder nicht selten lediglich ein Betrag aus der Portokasse, der zur Zweckerzielung für eine Grundstücksherrichtung bereits in die Investitionskosten eingepreist scheint. »Solch ein Vorgehen ist kein Kavaliersdelikt«, ärgert sich Umweltminister Albrecht. Er will das Thema zum einen auf der nächsten Umweltministerkonferenz Ende April in Rostock ansprechen und ebenso mit einer Gesetzesentwurfsänderung eine Bundesratsinitiative anstoßen.

Überregional für Aufsehen sorgte beispielsweise der Fall von Möbel Höffner in Kiel, wo im Zuge der Erdarbeiten für ein neues Möbel-Einrichtungshaus bereits im vergangenen November ein schützenswerter, sechs Hektar großer Grüngürtel irreparabel geschädigt wurde. Die Krieger-Unternehmensgruppe von Höffner entschuldigte sich, sprach davon, dass es angeblich ein Versehen nur eines Baggerfahrers gewesen sei. Trotzdem ermittelt in der Angelegenheit nun die Staatsanwaltschaft. Beobachter äußern inzwischen den Verdacht, dass das Planieren der Ökofläche womöglich der Schaffung von Sichtachsen zum Möbelhaus dienen sollte.

In Quickborn (Kreis Pinneberg) passierte der Baumfrevel zwischen Weihnachten und Silvester des vergangenen Jahres. 1,8 Hektar Naherholungs-Mischwald wurden ohne Genehmigung auf dem Grundstück der HCK Wohnimmobilien GmbH aus Hamburg abgeholzt. Außerdem wurde dabei das gesamte Wurzelwerk entfernt. Erst am 5. Januar stoppte die Polizei dann den Abtransport des Holzes. Laut Bürgermeister Thomas Köppel (CDU) war HCK lediglich auf eine Gefahrenbeseitigung nahe des Geh- und Radweges hingewiesen worden. Die HCK Wohnimmobilien GmbH wiederum flüchtet sich in die Aussage, man habe großflächig einen Borkenkäferbefall festgestellt. Anwohner erwarten nun eine schnellstmögliche Aufforstung der zerstörten Fläche.

Der bisher jüngste Fall eines hemmungslosen Massakers an der Natur wird aus Neumünster gemeldet. Auf dem ehemaligen Gelände eines pleitegegangenen Bauunternehmens wurden in der vergangenen Woche fünf Hektar Mischwald illegal beseitigt. Der neue Besitzer des Grundstücks will dort ein Baugebiet einrichten. Dabei war dem Investor im Januar noch von der Landesaufsichtsbehörde untersagt worden, auf dem Areal Bäume zu fällen. Im Neumünsteraner Rathaus wird nun diskutiert, das Baugenehmigungsverfahren des Investors sofort zu stoppen.

Die fassungslose CDU-Politikerin Sabine Krebs aus Neumünster resümiert: »Offenbar hat diese Art der illegalen Vorbereitung einer Baufläche Methode.« Das schleswig-holsteinische Umweltministerium kann dieser unsäglichen Liste mittlerweile auch den Fall eines Kahlschlags von mehr als 100 Bäumen aufgrund eines Verwaltungsfehlers in Bargteheide (Kreis Stormarn) sowie jüngst auch in Aumühle im Sachsenwald rund um die Fürstin-Ann-Mari-von-Bismarck-Grundschule hinzufügen.

Auch die FDP-Landtagsfraktion zeigt sich erschüttert und stellt in Schleswig-Holstein propagierte Baumpflanzaktionen wie zum Tag der deutschen Einheit (»Einheitsbuddeln«) oder Aufforstungsmaßnahmen aus Landesmitteln genau dann infrage, wenn gleichzeitig unrechtmäßige Rodungen nicht verhindert werden. Die Liberalen schlagen deshalb eine Verschärfung des Landeswaldgesetzes vor - dass bisher nur anzeigepflichtigen Maßnahmen wie etwa der Schädlingsbekämpfung à la Borkenkäfer in jedem Falle ein Genehmigungsverfahren vorausgehen sollte.

Alle genannten und viele ähnliche Vorgänge haben allerdings noch eine deutliche Schwachstelle aufgezeigt: Die vor Ort zuständigen Unteren Naturschutz- und Unteren Forstbehörden, als jeweilige Ansprechstellen für Verwaltungsstellen, aufmerksame Bürger, für Polizei und Waldbesitzer, sind personell sehr oft nur äußerst knappbesetzt. Besonders in Ferienzeiten, an Wochenenden oder auch an Feiertagen zeigt sich dann, dass diese zuständigen Stellen nur sehr schwer erreichbar sind. Und das ist nicht nur ein Digitalisierungsproblem in Corona-Zeiten.

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