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Kampf gegen die rassistische Norm

Aufarbeitung und Erinnerung der Kolonialvergangenheit stehen noch am Anfang

  • Ulrike Wagener
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wer geht hin und fragt: Entschuldigung, warum heißt die Straße nach diesem Mörder? Und wer erklärt den Kontext?«, fragt die Theatermacherin und Aktivistin der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD), Simone Dede Ayivi. Bei der Diskussionsveranstaltung am Freitagabend geht es viel um die Rolle von Wissen und Vermittlung. Die Grünen-Abgeordneten Daniel Wesener und Sebastian Walter haben eingeladen, um Bilanz zu ziehen: Wo steht Berlin bei der Aufarbeitung und Erinnerung der Kolonialvergangenheit? Im August 2019 hatte das Abgeordnetenhaus ein gesamtstädtisches Aufarbeitungs- und Erinnerungskonzept zu dem Thema beschlossen. Bis Ende dieses Jahres soll die neu gegründete Koordinierungsstelle gemeinsam mit Vertreter*innen aus Zivilgesellschaft, Politik, Verwaltung und Bezirken konkrete Maßnahmen erarbeiten.

Doch zuerst ging es noch einmal einen Schritt zurück. In der Gesellschaft gebe es noch keinen Konsens darüber, was Kolonialismus - und Dekolonisierung - bedeuten, erklärte Tahir Della von Decolonize Berlin, dem Trägerverein der Koordinierungsstelle: »Wir müssen uns darüber verständigen, was wir mit Dekolonisierung überhaupt meinen. Schicke Ausstellungen sind toll, aber die Gesellschaft muss grundlegend verändert werden.« Für das Podium ist klar: Dekolonisierung bedeutet auch das Aufbrechen rassistischer Strukturen. Als besondere Baustelle benannt wurden Wissenschaft und Bildung. Denn, wie Simone Dede Ayivi eingangs verbildlichte: Wenn eine Gesellschaft über etwas nichts weiß, kann sie daran keinen Anstoß nehmen - und dann ändert sich auch nichts.

Die Professorin für Diversity Studies, Maisha Auma, forderte die Einrichtung eines Studienschwerpunkts zu Schwarz sein: »Es ist wichtig, Dekolonialisierung in Strukturen zu verankern«, findet sie. Dekolonialisierung sei keine Metapher. »Sie bezieht sich auf den täglichen Kampf gegen koloniale und rassistisch geprägte Normen«, so die Erziehungswissenschaftlerin. Dabei gehe es nicht nur um Lehrinhalte, sondern auch um tieferliegende Strukturen, ergänzt Merel Fuchs von der Koordinierungsstelle: »Wie wird Wissen bewertet, welche Perspektive wird ins Zentrum gerückt, wer lehrt, wie wird Unterricht gestaltet und was führt dazu, dass Diskriminierung im Schulalltag normal ist?«

Weit oben steht zudem der Wunsch eines zentralen Erinnerungsortes für die Opfer des Kolonialismus. Der Kultursenat geht hier jedoch von einem längeren Klärungsprozess mit Bundesregierung und Auswärtigem Am aus. Doch auch seitens der Schwarzen Community wird noch mehr Zeit gefordert, um zu überlegen, was es braucht, um einen Gedenkort zu schaffen, der übergreifend funktionieren kann, erklärte Tahir Della. »Ich sage bewusst Gedenkort, denn ich habe das Gefühl, Deutschland setzt sich gern Denkmäler, um einen Deckel auf ein Thema zu machen. Und das soll es natürlich nicht sein.« Dabei müsse die Perspektive der Betroffenen zentral sein, aber auch die Gesamtgesellschaft in die Verantwortung genommen werden.

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