Nepals Regierungschef Oli klebt am Sessel

Die vom Premierminister durchgesetzte Parlamentsauflösung wird als verfassungswidrig eingestuft

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.

Nepals Politik ist gerade dabei, sich neu zu sortieren. Die Tage der amtierenden Regierung sind gezählt - eine neue ist aber noch nicht unmittelbar in Sicht. Die Entscheidung des Regierungschefs Khadga Prasad Sharma Oli, das Parlament aufzulösen, hält der Verfassung nicht stand. Chefrichter Cholendra Shumsher Rana höchstselbst führte den Vorsitz in der Sonderkammer des obersten Gerichtshofes. Am 23. Februar urteilte der Supreme Court, dass die von Oli am 20. Dezember forcierte Parlamentsauflösung nicht verfassungsgemäß war. Das 275-köpfige Unterhaus des Parlaments wurde vom Obersten Gerichtshof wieder eingesetzt. Bis 8. März müssen die Abgeordneten nun zusammentreten. Die von Oli Ende April und Anfang Mai angesetzten vorfristigen Neuwahlen sind vom Tisch.

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes wurde auf den Straßen von Anhängern der Gegenspieler Olis mit Jubelfeiern begrüßt. Mit geradezu versteinerter Miene hatte Oli den Richterspruch aufgenommen. Einen Rücktritt lehnt der umstrittene Regierungschef ab. Der erfahrene Politiker, der das Amt nicht zum ersten Mal innehat, scheint gewillt, es auf eine noch denkbare Mehrheit bei einer Vertrauensabstimmung ankommen zu lassen. Sein überraschender Schritt in der vorletzten Woche des alten Jahres war aus seiner Sicht eine Art Befreiungsschlag gewesen. Über Monate hatten sich die Spannungen zwischen ihm und Pushpa Kamal Dahal alias Prachanda, Co-Vorsitzender der regierenden Kommunistischen Partei Nepals (NCP), immer weiter aufgebaut. Die bereits faktische Spaltung an der Parteispitze war durch die Parlamentsauflösung nur formell zementiert worden. Oli kommt aus den Reihen der linkssozialistischen Vereinigten Marxisten-Leninisten (UML), die sich erst bei den vergangenen Wahlen 2018 mit den von Dahal geführten Maoisten zusammengeschlossen hatten - zunächst als Wahlbündnis, nach einem halben Jahr auch organisatorisch. Es war eine Premiere seit Jahrzehnten, dass die starke kommunistische Bewegung Nepals wieder weitestgehend in einer Partei vereint war. Und nie zuvor hatte eine politische Kraft wie eben diese wiedervereinte Linke einen so überragenden Wahlsieg eingefahren.

Meinungsverschiedenheiten traten 2020 aber immer offener zutage. Dahal und der mit ihm verbündete Madhav Kumar Nepal (Ex-UML und ebenfalls früherer Premier) forderten von Oli, wenigstens eins seiner Ämter an Partei- und Regierungsspitze aufzugeben, was dieser ablehnte. Nach dem Bruch haben die beiden verfeindeten NCP-Lager parallele Strukturen aufgebaut, Oli traf sich nach dem Gerichtsurteil umgehend mit »seinem« Führungsgremium. Derweil kam das Duo Dahal/Nepal, von einer Massenveranstaltung in Chitwan in die Hauptstadt zurückgekehrt, zur Wochenmitte in dessen privater Residenz mit Sher Bahadur Deuba zusammen. Dieser, der gleichfalls schon mehrfach Premierminister war, steht dem sozialliberalen Nepali Congress (NC) vor, der größten Oppositionspartei.

In ihrer Kritik an Olis als Verfassungsbruch kritisierten Schritt waren sich die drei seit Dezember soweit einig gewesen. Das Zweckbündnis in dieser Form hat aber nun sein primäres Ziel erreicht und ist damit überflüssig. Die NCP hält 173 der 275 Parlamentssitze, 82 bis 84 Abgeordnete davon gelten Oli als treu ergeben, 88 bis 90 sind dem Lager um Dahal/Nepal zuzuschreiben. Ohne die 63 Mandate des NC, der damit zum Königsmacher avanciert, scheint eine tragfähige Mehrheit für keine der beiden kommunistischen Fraktionen vorstellbar. Die NC-Führung, die auch von Oli kontaktiert wurde, entschied sich vorläufig zum Abwarten, bis der parlamentarische Prozess wieder in Gang kommt. Ähnlich hält es die sozialistische Janata Samajbadi Party (JSP-N, 32 Sitze) mit starker Anhängerschaft unter den Madhesi, der Bevölkerungsgruppe im Landessüden nahe der indischen Grenze. Das verkündete deren Spitze nach einem Treffen mit Emissären des Dahal/Nepal-Lagers.

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