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  • Linke nach dem Bundesparteitag

Mit ihnen zieht die neue Zeit

Die neuen Linke-Vorsitzenden arbeiten politisch am »großen Wurf«

Erster Arbeitstag als Linke-Vorsitzende: Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler beim Pressetermin im Karl-Liebknecht-Haus
Erster Arbeitstag als Linke-Vorsitzende: Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler beim Pressetermin im Karl-Liebknecht-Haus

Glaubt man Christian Herrgott, dann handelt es sich bei Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler um ein veritables Duo infernale. Nachdem die beiden am Wochenende zu den neuen Bundesvorsitzenden der Linkspartei gekürt worden waren, teilte der Generalsekretär der Thüringer CDU mit, die beiden bildeten eine »toxische Mischung« und »radikale Doppelspitze«. Dieser dürfe man »nicht gestatten, ins Herz der Gesellschaft vorzudringen«. Als wollten sie sich der Anwürfe würdig erweisen, zählten die neuen Linke-Chefinnen am Montag auf ihrer ersten gemeinsamen Pressekonferenz nach dem Einzug in die Parteizentrale an Plänen all das auf, was für Herrgott dem Ende des Abendlandes gleich käme: »Eingriffe in die Wirtschaft und das Eigentum, Steuererhöhungen, Enteignungen«.

Hennig-Wellsow wählte zur Begrüßung eine Redewendung, die Assoziationen zur bevorzugten Kooperationspartnerin der am Mitregieren interessierten Linken weckt: »Willkommen in der neuen Zeit im Karl-Liebknecht-Haus«, sagte sie. Wer denkt da nicht an die alte Hymne der Sozialdemokraten - die den Slogan »in die neue Zeit« zudem erst Ende 2019 zum Parteitagsmotto erkoren hatten. Ein verschämter Wink mit dem Zaunpfahl war das wohl weniger, denn die bisherige Landes- und Fraktionsvorsitzende der Thüringer Linken sagt ja schon lange deutlich, dass sie richtig »Bock« aufs Regieren im Bund habe. Das bekräftigte sie auch am Montag. »Wir wollen, dass CDU und CSU aus der Bundesregierung verschwinden«, betonte sie. Da sei es »natürlich, dass wir für ein progressives Bündnis kämpfen«.

Zugleich verwies Hennig-Wellsow auf die vielen jungen Männer und vor allem Frauen im insgesamt 44-köpfigen Bundesvorstand, von deren Agieren sie eine »völlig andere Kultur« in der Partei und damit für ihre Außenwirkung erwartet.

Janine Wissler verwies auf die Herausforderungen des Superwahljahrs 2021 mit Bundestagswahl im September sowie sechs Landtags- und zwei Kommunalwahlen. Dafür sei die Partei mit dem noch vom alten Bundesvorstand vorgelegten Entwurf für ein Programm zur Bundestagswahl gut aufgestellt. Der neue Vorstand wird das Programm nach Angaben von Hennig-Wellsow im April beschließen, der Bundesparteitag im Juni.

Wissler versicherte, ernsthaft mit SPD und Grünen verhandeln zu wollen, wenn das Bundestagswahlergebnis dies ermögliche. Verschlechterungen im sozialen Bereich werde es aber mit der Linken nicht geben. Kompromissbereit sei man dagegen beim Grad von Verbesserungen.

Die Coronakrise lasse sich nur bewältigen, wenn die Krankenhäuser in die öffentliche Hand zurückgeführt würden und zugleich ihre Finanzierung über die sogenannten Fallpauschalen beendet werde, betonte Wissler. Zugleich müssten die Beschäftigten in den Kliniken erheblich besser bezahlt werden. Die Linke kämpfe für eine Vermögensabgabe zur Finanzierung der Krisenkosten und für die Vermögensteuer zur Gestaltung des sozial-ökologischen Wandels der Gesellschaft.

Dass die SPD in ihrem am Montag vorgelegten Entwurf für ein Programm zu Bundestagswahl ebenfalls eine Vermögensteuer fordert, begrüßten die beiden Frauen. Die SPD entwickle sich in eine Richtung hin zu mehr Gemeinsamkeiten mit den Linken, sagte Hennig-Wellsow. Wissler befand, es sei »eine gute Sache«, wenn sich die Sozialdemokraten neu aufstellten und insbesondere einsähen, wie sehr etwa Hartz IV Existenzängste und Abstieg bei Millionen Menschen gefördert habe. Letztlich werde sich die Partei aber an ihren Taten messen lassen müssen.

Zugleich sei indes eine armutsfeste Mindestrente nötig, auch Mehrwertsteuererhöhungen seien mit der Linken nicht zu machen, so Wissler, denn letztere seien sozial ungerecht. Sie kritisierte, SPD, CDU und CSU fühlten sich in der aktuellen Regierung dem Ziel der Nato verpflichtet, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben, dagegen seien ihnen die Klimaschutzziele »schnurzpiepegal«. Wissler versicherte zugleich, die Linke bleibe »natürlich« eine »konsequente Friedenspartei«.

Zugleich betonte sie: »Unabhängig davon, wer regiert, brauchen wir Druck von links aus der Gesellschaft, um etwas zu bewegen.« Hennig-Wellsow erklärte derweil, die Linke sei »in der Pflicht«, die Lebensverhältnisse der Menschen »im Hier und Jetzt zu verändern«. Zugleich gab sie sich optimistisch, sehr weitreichende gesellschaftliche Veränderungen durchsetzen zu können: »Wir wollen den großen Wurf und nicht nur kleckern.«

Gefragt, wie sie mit der prominentesten Politikerin der Linken, Sahra Wagenknecht, zusammenarbeiten wollen, sagte Hennig-Wellsow, die frühere Chefin der Bundestagsfraktion werde »immer eine herausgehobene Rolle spielen«, und versicherte: »Wir werden uns keiner kommunikativen Annäherung verweigern.« Wissler erklärte, sie freue sich, wenn sich Wagenknecht mit ihrer Fähigkeit, Probleme pointiert zu schildern, in den Bundestagswahlkampf einbringe.

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