Aufwerter greift nach Hotels

Umnutzung in Luxus-Apartments soll Rendite für Häuser ohne touristische Perspektive sichern

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn es um das Geschäft geht, legt der Berliner Immobilienhändler Einar Skjerven große Flexibilität an den Tag. »Dieses Jahr wollen wir den Schwerpunkt auf die Umwandlung von Hotels in gewerbliches Wohnen legen«, sagt der Investor am Dienstag bei einer Pressekonferenz. 120 inhabergeführte Hotels mit mindestens 50 Zimmern in Berlin seien von ihm im Dezember 2020 und Januar 2021 in Bezug auf Verkaufspläne kontaktiert worden. Wegen der großzügigen Zimmergrundrisse vor allem ältere Häuser der 4-Sterne-Kategorie. »Mit zehn Eigentümern - überwiegend im Westteil der Stadt - sind wir derzeit im Gespräch«, berichtet Skjerven. Bei zwei Projekten werde es konkreter. Bis zu fünf Objekte werde er dieses Jahr ankaufen oder gemeinsam mit dem jetzigen Eigentümer entwickeln, glaubt der Immobilienhändler.

»Wir sehen erneut, dass die Privatisierung öffentlichen Grundes immer neue Probleme nach sich zieht«, sagt Linke-Stadtentwicklungsexpertin Katalin Gennburg zu »nd«. Seit vielen Jahren habe sie auf die »Hotelblase mit ihren Überkapazitäten« hingewiesen.

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Die lange durch scheinbar endloses Wachstum gekennzeichnete Hotelbranche wurde von den Reisebeschränkungen durch die Coronakrise jäh getroffen. Laut einer aktuellen Befragung des Wirtschaftsprüfungskonzerns PwC von deutschlandweit 320 Hotels mit über 50 000 Zimmern droht zahlreichen Betreibern die Pleite, wenn die Beschränkungen über das 1. Quartal hinaus andauern - was absehbar ist. Erst für 2023 oder 2024 wird demnach die Rückkehr in die Gewinnzone erwartet.

Besonders nachhaltig getroffen sind die Metropolen wie Berlin, Hamburg oder Frankfurt am Main. »Geschäftsreisen werden dauerhaft nicht mehr dasselbe sein; und wenn Messen an Bedeutung verlieren, werden auch entsprechende Standorte verlieren«, prognostiziert Karsten Jungk, Geschäftsführer des Immobilienberatungsunternehmens Wüest Partner Deutschland. Vor allem Kettenhotels werden sich behaupten, glaubt er.

Ohne sehr kostenträchtige Umbauten sei eine Umwandlung von Hotels in sogenannte Serviced Apartments möglich, so Jungk. Also möbliertes Wohnen mit weiteren hotelartigen Dienstleistungen. Da Hotels Gewerbegebäude sind, drohen auch keine Preisrestriktionen durch den Mietendeckel. Der gilt nur für Wohnbauten. 700 bis 1200 Euro werden monatlich für Apartments ab 20 Quadratmeter verlangt. »Wir haben schon vor Corona an einigen Standorten gesehen, dass das Thema Mikro-Apartments überspannt worden ist«, warnt Jungk. Nur wenige können sich solche Mieten dauerhaft leisten.

»Es kann nicht sein, dass das Ende dieser Fehlentwicklung entlang von Marktinteressen in eine weitere mündet. Wir brauchen diese Immobilien für eine Umwandlung in leistbaren Wohnraum«, so Gennburg.

Einar Skjerven hat Erfahrung mit der Luxussanierung von Immobilien, zum Beispiel an der Wilmersdorfer Eisenzahnstraße 11-16. Was einst normale Wohnungen waren, sind nun die Beautique Apartments mit Fitnessstudio, Restaurant und weiteren hotelartigen Services. Altmieter empfanden die Umbauphase als aktive Verdrängung. Fast 2000 Euro pro Quadratmeter sollen in den Umbau geflossen sein, verkauft würden die Apartments nun für 7500 bis 8500 Euro pro Quadratmeter. »Wir verkaufen vor allem an Selbstnutzer. Nicht an Kapitalanleger, weil der Mietendeckel ein Thema ist«, so Skjerven. Dieses »Repositioning einer altmodischen Immobilie in ein modernes Lifestyle-Gebäude« komme beim internationalen Publikum ganz gut an, erklärt er in bestem Immobiliensprech.

Angesichts des Mietendeckels sei der Verkauf von Eigentum in aufgeteilten Bestandswohnhäusern eine »schwere Option«, sagt Skjerven. Für Hotels sei eine Umwandlung in Eigentumswohnungen denkbar. »Bei einem Erstbezug 2021 gilt der Mietendeckel nicht«, erklärt er. Das entspricht der Rechtslage, denn ab 2014 erstmals zu Wohnzwecken bezogene Gebäude werden nicht erfasst. Ob die Rechnung für ihn aufgeht, muss sich zeigen. Das Angebot an Eigentumswohnungen in Berlin ist rund dreimal so hoch wie die tatsächlichen Verkäufe - 2020 wechselten nach vorläufigen Zahlen rund 19 000 den Eigentümer.

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