Vertagungsministerin Kramp-Karrenbauer

Der Verteidigungsausschuss des Bundestages wird bei Thema Munitionsamnestie erneut vertröstet

Mehr Fragen als Antworten: Zwölf Tage sind vergangen, seit mehrere Medien darüber berichteten, dass innerhalb des Kommando Spezialkräfte KSK bis Ende April 2020 eine Munitionsamnestie ausgerufen war. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) will erst im Rahmen dieser Berichterstattung davon erfahren haben. Mittlerweile informierte die Ministerin zwei Mal in Sitzungen den Verteidigungsausschuss - mit bislang dünnem Ergebnis. Auch am Mittwoch dieser Woche scheint es ein Spiel auf Zeit zu sein. Der Ausschuss solle den Zwischenbericht abwarten, kommende Woche vorgelegt werden würde.

Kramp-Karrenbauer zögert eine Personalentscheidung heraus. Nach derzeitiger Darstellung trägt der Generalinspekteur der Bundeswehr Eberhard Zorn, dessen Büro zugleich federführend bei den KSK-Ermittlungen war, die Verantwortung dafür, dass die Munitionsamnestie nicht bis in die politische Ebene des Verteidigungsministeriums vermeldet wurde. Er soll aus einem Zwischenbericht, der im Oktober 2020 an den Bundestag ging, die Passage zur Munitionsamnestie entfernt haben.

Weitere Generäle, die eine Rolle in dem Verfahren spielen, sind der Inspekteur des Heeres Alfons Mais, KSK-Kommandeur Markus Kreitmayr sowie der Chef der Division Spezielle Operationen Andreas Hannemann. Letzterer wäre verantwortlich gewesen, gegen Kreitmayr disziplinar zu ermitteln, der die Amnestie im KSK gewährt hatte. Doch Hannemann ließ sich Zeit. Heeresinspekteur Mais gehörte zu den Mitwissenden, die bei einer Besprechung im Juni 2020 in Calw erstmals von der Amnestie erfahren haben sollen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur korrigierte Mais einige Details, die seit Tagen in der Öffentlichkeit kursierten. So lief das Verfahren der Munitionsabgabe geordnet in der Dienstzeit auf Ebene der Einheiten, die dann die gesammelte Munition geschlossen und ohne namentliche Erfassung bei der Fachgruppe Munition des KSK abgegeben hätten. »Sogenannte Amnestie-Boxen oder andere technische Aufnahmebehältnisse zur Abgabe gab es zu keiner Zeit«, wurde er zitiert. Insgesamt seien bei der Sammelaktion 46 400 Munitionsartikel abgegeben worden, darunter zehn Prozent Gefechtsmunition. Bei dem Rest handele es sich um Übungs- und Manövermunition. Außerdem wurden zwei Gefechtshandgranaten abgegeben.

Für die Oppositionspolitiker von Linksfraktion und Grünen sind die bislang dürftigen Antworten von Kramp-Karrenbauer kaum mehr zu dulden. »Die Ausführungen der Ministerin darüber, wie sie von der Munitionsamnestie erfahren haben will, werfen die Frage auf, wie es um die Kommunikation zwischen militärischer und ziviler Spitze im Verteidigungsministerium steht«, so Tobias Pflüger, verteidigungspolitischer Sprecher der Linksfraktion. Es sei hochgradig unglaubwürdig, dass bei den im Juni 2020 getroffenen Maßnahmen, bei der die Ministerin sich selbst mit an die Spitze der Ermittlungen gestellt hatte, die Amnestie nicht besprochen worden sein soll, so Pflüger weiter. »Nach der heutigen Sitzung des Verteidigungsausschusses kann man den Eindruck gewinnen, als betreibe Annegret Kramp-Karrenbauer die Aufklärung der Munitionsamnestie im KSK eher in homöopathischen Dosen«, kritisiert auch Grünen-Abgeordneter Tobias Lindner. »Eine Woche nach der letzten Ausschussbefassung mit der Sammelaktion hat der Ministerium eingeräumt, was eigentlich alle wussten - nämlich dass die Amnestie klar rechtswidrig war.«

Auch Koalitionspartner SPD ist mit den Darstellungen der Ministerin nicht zufrieden. Zu viele Fragen seien offen teilte Verteidigungspolitikerin Siemtje Möller dem »nd« mit. »Das Ministerium wird sich jetzt fragen lassen müssen, ob es zur Verschleppung der Aufklärung beigetragen hat.« Über eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses wird am Donnerstag beraten.

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