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Grob fahrlässige Strategie
Rainer Rutz über das vorschnelle Ende des Notbetriebs in den Berliner Kitas
Bei allen Zweifeln an den am Dienstag verkündeten nächsten Öffnungsschritten im Berliner Schulbereich, in einem Punkt hat die Senatsbildungsverwaltung recht: Tatsächlich fährt die Hauptstadt den Schulbetrieb verhältnismäßig vorsichtig wieder hoch. Erst einmal nur die Grundschulen, und dies in halben Klassenstärken, dazu Maskenpflicht und ein umfassendes Testregime, das - hoffentlich - kommende Woche ausgerollt wird: Das könnte selbst mit den weit gefährlicheren Virus-Mutanten im Nacken mit etwas Glück gut gehen.
Anders verhält es sich mit den ebenfalls angekündigten Kita-Öffnungen, bei denen offenkundig von dem Grundsatz ausgegangen wird, dass das Virus um Kitas einen großen Bogen macht. Warum sich dann auch lange mit Zwischenschritten wie einem Wechselmodell aufhalten? Ohne Frage: Die Lockdown-Müdigkeit in vielen, vermutlich fast allen Familien ist groß. Das Problem für die Erzieherinnen und Erzieher ist indes, dass all die vernünftigen Schutzmaßnahmen aus dem Schulbereich - insbesondere Masketragen und Abstandhalten - in den Kitas nicht umsetzbar sind.
Schwer nachvollziehbar ist dabei der Umstand, dass man die Erzieherinnen und Erzieher bei der Impfreihenfolge erst aus genau diesen Gründen nach oben stuft, nur um dann auf Sinn und Zweck der veränderten Priorisierung zu pfeifen. Jetzt ins Vollprogramm zu wechseln, noch bevor die ersten Impf-Einladungen an die Beschäftigten überhaupt rausgeschickt wurden, könnte sich als grob fahrlässig herausstellen. Im Grunde macht man bei den Kita-Öffnungen den zweiten Schritt vor dem ersten. Die Sorge, dass der Freiversuch auf dem Rücken der Erzieherinnen und Erzieher aus dem Ruder laufen könnte, ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen. Dritte Welle, wir kommen!
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