Gericht beendet Hausarrest

Siebt- und Neuntklässler klagen erfolgreich gegen ausschließliches Homeschooling

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Land Berlin darf Siebt- bis Neuntklässler nicht generell vom Präsenzunterricht ausschließen. Das sei »gleichheits- und deshalb rechtswidrig«, entschied das Berliner Verwaltungsgericht am Mittwoch und gab damit den Eilanträgen von zwei Schülern der siebten und neunten Klasse in diesem Punkt statt.

Wie berichtet fährt auch die Hauptstadt den Schulbetrieb seit vergangener Woche nach und nach wieder hoch. Die Grundschüler sind bereits zurück in den Klassenzimmern, stunden-, tage- oder wochenweise in halbierten Gruppen. Kommenden Mittwoch werden, ebenfalls im Wechselmodell, die Klassenstufen 10 bis 13 folgen. Bleiben als einzige die Siebt- bis Neuntklässler, die vorerst weiter ausschließlich Distanzunterricht bekommen. Die beiden klagenden Gymnasiasten »sehen sich dadurch in ihren Grundrechten verletzt«, so das Verwaltungsgericht.

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Rechtsanwalt Niko Härting, der die Schüler über ihre Eltern vor Gericht vertreten hatte, ist dann auch »sehr zufrieden« mit der Entscheidung. »Das ist bundesweit das erste Mal, dass einem solchen Eilantrag stattgegeben wird, und somit eindeutig ein Erfolg«, sagt Härting zu »nd«. Die Folge der Gerichtsentscheidung ist im Detail freilich auch etwas skurril. Denn de facto ist Berlin jetzt lediglich verpflichtet, den zwei Klägern Präsenzunterricht zu ermöglichen. Gegen die Entscheidung kann das Haus von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) noch Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegen.

»Wir werden uns dazu noch verhalten«, sagt Scheeres’ Sprecher Martin Klesmann am Donnerstag zu »nd«. »Die genaue Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichts lief ja erst am Mittwochabend per Fax bei uns ein.« Aus Senatskreisen ist jedoch zu hören, dass es unwahrscheinlich ist, dass man in Revision gehen wird. Klesmann bestätigt lediglich, »dass wir Gespräche mit Schulleitern und Amtsärzten über mögliche Schulöffnungen für die Siebt- bis Neuntklässler führen«. Dass früher oder später auch diese Jahrgangsstufen im Wechselmodell in die Klassenräume zurückkehren werden, steht wohl außer Frage. Offen ist nur das Wann. Bildungssenatorin Scheeres ließ am Donnerstagnachmittag durchblicken, dass sie prüfe, ob man den betreffenden Klassenstufen »zumindest noch einmal Präsenztermine« vor den am 29. März beginnenden Osterferien anbieten könne. »Das Thema werde ich in die nächste Senatssitzung einbringen«, so die SPD-Politikerin.

Erleichtert ist man in der Bildungsverwaltung, dass das Verwaltungsgericht den Klägern in einem zweiten Punkt nicht folgen wollte. So wollten die insgesamt sieben Schüler – neben den beiden Gymnasiasten hatten auch fünf Grundschüler beziehungsweise deren Eltern geklagt – zudem statt dem aktuellen Teilpräsenzunterricht die Rückkehr zum ausnahmslosen Normalbetrieb in voll besetzten Klassen erstreiten, sechs von ihnen zudem Unterricht ohne Mund-Nasen-Schutz. Beides wurde abgelehnt. Die bestehenden gesetzlichen Regelungen hierzu seien »angesichts des derzeitigen Infektionsgeschehens« auch »weiterhin als (noch) verhältnismäßig anzusehen«, urteilte das Verwaltungsgericht. Anwalt Härting kündigt deshalb schon mal an, dass er davon ausgehe, »dass zumindest die fünf Grundschüler und ihre Eltern weiter dagegen prozessieren werden«.

Martin Klesmann von der Schulverwaltung macht dagegen klar, dass man aktuell nicht daran denke, an Wechselunterricht und Maskenpflicht zu rütteln. »Die Gesundheit muss weiterhin Vorrang haben.« Auch deshalb werde man die Regelungen zur Maskenpflicht im Gegenteil jetzt noch einmal nachschärfen. Bislang ist es den Schülern freigestellt, ob sie einfache Stoffmasken oder einen medizinischen Mund-Nasen-Schutz tragen. Damit soll ab kommendem Montag Schluss sein. »Es wird an den Schulen eine Pflicht zum Tragen medizinischer Masken geben, auch für Grundschüler«, sagt Klesmann. Tatsächlich zeigen die Zahlen der Gesundheitsverwaltung, dass die Sieben-Tage-Inzidenz bei Kindern im Grundschulalter in Berlin zuletzt deutlich angestiegen, bei den Fünf- bis Neunjährigen etwa in einer Woche von 48 auf 77 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner.

Davon unbeeindruckt preschte angesichts der Gerichtsentscheidung Bettina Jarasch, die Spitzenkandidatin der Grünen für die Abgeordnetenhauswahl im Herbst, bereits vor und forderte noch am Mittwochabend, Senatorin Scheeres solle für die Siebt- bis Neuntklässler »das Urteil sofort umsetzen«. Jarasch hatte sich indes bislang auch nicht als Bildungsexpertin ihrer Fraktion hervorgetan.

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