Sie wollen, aber können nicht

Hausärzte möchten mit dem Impfen beginnen - doch es fehlt an Vakzin

Effizienz ist derzeit alles - und zumindest das Coronavirus beherzigt dies. Das Infektionsgeschehen nimmt zu, die ansteckendere britische Virusvariante ist für einen immer größeren Teil der Infektionen verantwortlich. Am Donnerstagmorgen vermeldete das Robert-Koch-Institut (RKI) 14 356 Neuansteckungen und damit über 2400 mehr als vor einer Woche. Auch die Sieben-Tage-Inzidenz stieg mit 69,1 im Vergleich zu 65,4 am Vortag deutlich an. Zudem setzt sich die Corona-Mutante B117 hierzulande weiter durch - laut RKI beträgt ihr Anteil bei den Infektionen mittlerweile etwa 55 Prozent.

»Wir haben ganz klare Anzeichen dafür: In Deutschland hat die dritte Welle schon begonnen«, so das Fazit von RKI-Präsident Lothar Wieler am Donnerstag im Gespräch mit der UN-Journalistenvereinigung in Genf. »Ich bin sehr besorgt«, so Wieler, der einen Wettlauf zwischen Impfkampagne und dem mutierenden Virus sieht. Laufe diese »nicht komplett aus dem Ruder«, werde Deutschland das Geschehen bis Herbst aber unter Kontrolle haben, zeigte sich Wieler »absolut überzeugt«. Dafür müsse man »so viel wie möglich impfen, so schnell wie möglich, strategisch«.

Doch genau daran hapert es nach wie vor. In der neuesten Umdrehung der verpatzten Impfkampagne geht es um die Einbeziehung der Hausärzte. Diese sollen nach einem Beschluss der Gesundheitsminister von Bund und Ländern frühestmöglich routinemäßig starten, spätestens aber bis Mitte April. Dass es dabei nicht schneller geht, liegt an den nach wie vor zu geringen Mengen Impfstoff, um sowohl Impfzentren als auch Arztpraxen damit zu versorgen.

Von Ärztevertretern kommt harsche Kritik am beschlossenen Vorgehen. Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, erklärte, es könne nicht sein, dass vier Millionen Impfdosen im Kühlschrank gelagert würden, um Impfzentren am Laufen zu halten, »statt dafür zu sorgen, dass viele Menschen in kurzer Zeit geimpft werden«. Das Ziel scheine völlig aus dem Auge verloren zu sein, so Weigeldt gegenüber dem Fernsehsender Phoenix.

Durch die Einbeziehung der Hausärzte in die Impfstrategie könne man dafür sorgen, dass vorhandener Impfstoff möglichst schnell verimpft werde. So könne der Einlagerung der vielen Impfdosen in den Impfzentren entgegengewirkt werden.

Ob der Termin Mitte April überhaupt gehalten werden kann, daran gibt es schon Zweifel. Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), erklärte im ZDF-»Morgenmagazin«, er erwarte den Impfstart in den Praxen frühestens im Mai. Die Ärzte würden vorher »schlicht und ergreifend nicht genug Impfstoff bekommen«, so Gassen. Die Priorisierung der Impfzentren bezeichnete er als »Unding«. Der Chef des Virchowbunds, Dirk Heinrich, wies darauf hin, dass Lieferengpässe und überbordende Impfdokumentation das Impftempo zusätzlich drosseln könnten: »Die Regierenden haben es in der Hand, ob in den Praxen mit voller Kapazität geimpft werden kann, oder ob wir uns in bürokratischen Details verlieren.«

Zu einem Mehr an Impfstoff, der in der EU zur Verfügung steht, könnte die Entscheidung der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA beitragen, die am Donnerstag grünes Licht für die Zulassung des Corona-Impfstoffs des US-Pharmakonzerns Johnson & Johnson gegeben hat. Damit stehe in der EU nun erstmals ein Corona-Impfstoff zur Verfügung, bei dem nur eine Dosis erforderlich ist, erklärte EMA-Chefin Emer Cooke. Allerdings gibt es auch hier bereits Zweifel, ob das US-Unternehmen die zugesagte Lieferung von 55 Millionen Dosen bis Ende Juni einhalten kann. Aus EU-Kreisen verlautete, mit ersten Lieferungen werde frühestens Mitte April gerechnet.

Offenkundig unfähig. Markus Drescher hofft, dass das Impfen schleunigst in Fahrt kommt

Derzeit noch in der EMA-Prüfung befindet sich der russische Impfstoff Sputnik V. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) spricht sich für dessen zügige Nutzung auch in Deutschland aus. »Für mich ist der Sputnik-Impfstoff eine große Chance, wieder schneller zur Normalität zurückzukehren«, erklärte Ramelow den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Bundesregierung müsse an die für die Impfstoffbestellung zuständige EU appellieren, »dass jetzt bei den Produzenten von Sputnik entsprechende Impfmengen geordert werden sollten«, so Ramelow.

Gegen das russische Vakzin gibt es hauptsächlich politische Vorbehalte. Der Vorwurf: Moskau betreibe mit dem Impfstoff Machtpolitik und Propaganda. In Deutschland hat sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) grundsätzlich offen für einen Einsatz gezeigt, falls der russische Impfstoff eine Zulassung in der EU erhalte. Allerdings müsste sich zuvor die EU, die für die Impfstoffbeschaffung verantwortlich ist, für den Kauf des Produkts entscheiden. Mit Agenturen

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