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Wie steht es um das Bauen in Deutschland?

fragen & antworten zu den eigenen vier Wänden

  • Carsten Hoefer, Martina Herzog
  • Lesedauer: 4 Min.

Stadt oder Land, Haus oder Wohnung, allein oder mit anderen: Wo und wie man wohnt, ist zentral. Ein Interview von Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter zur Wohnungspolitik und Rahmenbedingungen für das Eigenheim hatte denn auch einigen Wirbel ausgelöst, obwohl er dem »Spiegel« auch sagte: »Natürlich wollen die Grünen nicht die eigenen vier Wände verbieten.« Doch bei der Wohnungspolitik geht es nicht nur ums Eigenheim.

Warum fehlen in Deutschlands Städten so viele Wohnungen?

Darauf geben fast alle Fachleute die gleiche Antwort: Es ist über Jahre zu wenig gebaut worden. Seit Ende der 1990er Jahre gewinnen die deutschen Großstädte Einwohner, allein von 2013 bis 2018 waren es nach Daten des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung rund 1,1 Millionen zusätzliche Stadtbewohner.

Der Wohnungsbau nahm erst Mitte des vergangenen Jahrzehnts wieder an Fahrt auf. In den 1980er Jahren hatte der Bund die Gemeinnützigkeit des Wohnungsbaus abgeschafft, was die Rahmenbedingungen für den sozialen Wohnungsbau massiv verschlechterte. Seither ist die Zahl der ehedem vier Millionen Sozialwohnungen um etwa drei Viertel geschrumpft.

Verdrängen Einfamilienhäuser die Mietwohnungen?

Das Grundstück kann man nur einmal bebauen, sagt Stephan Kippes, Marktforscher des Immobilienverbands IVD Süd in München. »Die Antwort sollte schon eine gewisse Nachverdichtung sein« - also Doppel- oder Reihenhäuser anstelle frei stehender Einfamilienhäuser. Von diesen werden in den Großstädten jedoch seit Jahren ohnehin nur noch sehr wenige gebaut, weil sie zu teuer für Otto Normalhausbauer sind.

In München und vielen anderen Großstädten werden Einfamilienhäuser sehr häufig von Baufirmen gekauft, die nach dem Abriss des bestehenden Gebäudes Doppelhaushälften, Dreispanner oder Reihenhäuser auf den Grundstücken bauen. Die Nachbarn grollen in der Regel. »Generell kommt es hier am ehesten in den Randgebieten von Städten zu Konflikten, wenn es um die Ausweisung neuer Baugebiete geht«, sagt ein Sprecher beim Verband der Wohnungswirtschaft GDW.

Woran leidet der Bau günstiger Wohnungen?

»Der Mangel an Baugrundstücken sowie die hohen Preise für Bauland sind deutschlandweit der Flaschenhals beim Wohnungsbau, insbesondere in den Ballungsregionen«, heißt es beim GDW. »Hinzu kommt dort eine häufig mangelnde Akzeptanz von Neubauvorhaben in der Nachbarschaften, nach dem Prinzip ›not in my backyard‹.« Denn viele Kommunen haben in den vergangenen Jahrzehnten neues Bauland nur noch sehr spärlich ausgewiesen.

Der Wohnungsbau kommt oft nur quälend langsam voran. Ein Beispiel liefert der geplante neue Münchner Stadtteil Freiham, eines der größten Wohnungsbauprojekte Deutschlands für bis zu 20 000 Einwohner. Das Strukturkonzept der Stadtverwaltung stammt aus dem Jahr 2007, der städtebauliche Wettbewerb wurde 2011 entschieden. Zehn Jahre später ist der neue Stadtteil erst in Ansätzen fertig.

Wo wollen die Menschen in Deutschland leben?

Das Umland der großen Städte ist schon seit Jahren begehrt. Dorthin ziehen besonders viele Menschen. Experten gehen davon aus, dass sich dieser Trend in der Corona-Krise, in der viele nicht mehr jeden Tag ins Büro pendeln, noch verstärken wird - zumal die neue Flexibilität bei der Wahl des Arbeitsorts sich auch nach dem Ende der Pandemie ein Stück weit erhalten dürfte.

Wie verhält sich die Bundesregierung in der Wohnungspolitik?

Das hängt davon ab, wen man fragt. Der Deutsche Mieterbund und Immobilienverbände sind eher kritisch. Das Ziel der Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD, 1,5 Millionen neue Wohnungen zu schaffen, wird jedenfalls nicht zu schaffen sein. Zudem gingen nach wie vor Sozialwohnungen verloren. Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) rechnet anders: Es würden vielleicht nicht alle 1,5 Millionen neuen Wohnungen fertiggestellt sein, aber der Rest sei dann eben noch im Bau. Zudem habe es Verbesserungen für Mieter gegeben, erklärt sein Ministerium, außerdem boome die Baubranche.

Wie kommt das Baukindergeld an?

Zwischen dem Start des Programms im September 2018 und dem Jahresende 2020 haben fast 310 000 Familien die Leistung bereits erhalten. Gut 6,5 Milliarden Euro Fördergelder wurden ausgeschüttet. Die meisten Antragsteller haben laut staatlicher Förderbank KfW ein oder zwei Kinder (85 Prozent) und ein durchschnittliches zu versteuerndes Einkommen von weniger als 50 000 Euro (75,3 Prozent).

Familien winkt dabei für den Bau eines Hauses oder den Kauf einer Immobilie ein staatlicher Zuschuss. Pro Kind gibt es 12 000 Euro, ausgezahlt in zehn Jahresraten zu je 1200 Euro. Anträge können noch bis Ende 2023 gestellt werden, allerdings nur, wenn man bis zum 31. März 2021 eine Baugenehmigung erhält oder aber einen Kaufvertrag für eine Immobilie unterschrieben hat. dpa/nd

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