Keine wurde abgewiesen

Berlin versucht, mehr Plätze in Frauenhäusern zu schaffen

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Debatte ist aufgeladen wie lange nicht. »Die Verbindung von der AWO zu SPD-geführten Ressorts ist in einigen Bundesländern problematisch«, kritisiert die Abgeordnete Anja Kofbinger (Grüne) am Montag die aus ihrer Sicht intransparente Vergabepraxis für den Betrieb des siebten und achten Frauenhauses in Berlin. Für deren Trägerschaft hatte die Arbeiterwohlfahrt (AWO) den Zuschlag erhalten, ohne Ausschreibung und obwohl sie bislang kein Frauenhaus in Berlin betrieben hatte.

Kofbinger zeigte sich entrüstet, sprach von »fehlender Expertise« und warf der Senatsverwaltung unter Senatorin Dilek Kalayci (SPD) vor, man habe hier geeignetere Träger nicht berücksichtigt. Die Sprecherin für Gleichstellungspolitik der Grünen-Fraktion zieht im Gesundheitsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses implizit sogar den Vergleich zur aktuellen »Maskenaffäre« der CDU und stößt damit ihre Koalitionskolleg*innen von der SPD gewaltig vor den Kopf.

»Das geht gar nicht, Anja«, wehrt sich Derya Çağlar (SPD) gegen den Vorwurf, es sei seitens ihrer Partei in der Notlage der Pandemie zu unlauteren Methoden gekommen. Wichtig sei vielmehr, dass keine Frau im vergangenen Jahr bei der Suche nach einem Schutzplatz abgewiesen werden musste, so Çağlar.

Man habe im vergangenen Jahr schnell handeln müssen, erklärt Marianne Rühl-Andresen, Leiterin der Abteilung Frauen und Gleichstellung in der zuständigen Senatsverwaltung, in Bezug auf die Vorwürfe. Eigentlich seien die Planungen für das siebte Frauenhaus schon vor der Coronakrise, die die Zahlen häuslicher Gewalt um ein Drittel habe nach oben schnellen lassen, in vollem Gange gewesen. Aber es habe keine passende Immobilie gegeben, um die Eröffnung nach vorn zu ziehen. Stattdessen wurde auf eine von der AWO betriebene Notunterkunft zurückgegriffen, die es vor allem Frauen mit Kindern ermöglicht habe, wieder aus den vorübergehend zu Schutzräumen umgewandelten Stadthotels auszuziehen - und so besser unterzukommen, mit mehr Platz und mit Beratung. In den Hotels sei es vielen nicht gut gegangen. Auch hier hatte die AWO kurzfristig die Trägerschaft übernommen. Als sich dann noch die Möglichkeit ergeben habe, die Notunterkunft in das siebte Frauenhaus umzuwandeln, habe man aufgrund der Dringlichkeit zugeschlagen, so Rühl-Andresen. Aus ihrer Sicht hat sich die AWO dadurch empfohlen, auch das im Sommer zu eröffnende achte Frauenhaus Berlins zu betreiben. Dieses wird mit mehr als 450 000 Euro ausgestattet, der Großteil der Mittel stammt aus dem Innovationsprogramm des Bundes. Für das Geld entsteht in dem Frauenhaus eine neuartige Clearingstelle, die ein zentraler Anlaufpunkt sein soll.

»Wir haben zurzeit 990 Schutzplätze, gemäß der Istanbul-Konvention«, erklärte Gleichstellungssenatorin Dilek Kalayci (SPD). Sie wisse von keinen anderen Trägern, die sich um den Betrieb des achten Frauenhauses bemüht hätten. Um das Thema häusliche Gewalt und Schutzplätze wird in Berlin seit Langem immer wieder heftig gestritten. Frauenorganisationen werfen dem Senat unter anderem vor, Symbolpolitik zu betreiben, statt sich wirklich für die Verbesserung der Situation einzusetzen. Drastische Kürzungen vor mehr als 15 Jahren durch eine rot-rote Koalition hatten zu dieser Situation geführt. Die Vorgaben der Istanbul-Konvention werden nicht ausreichend umgesetzt, hieß es oft. Diese Konvention fordert Gewaltprävention durch öffentliche Sensibilisierung für das Thema Gewalt gegen Frauen genauso wie die Einrichtung von Frauenhäusern. Außerdem auch juristische Maßnahmen wie Kontakt- und Näherungsverbote oder die Anerkennung von geschlechtsspezifischer Gewalt als Asylgrund.

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