• Berlin
  • Prinz Wilhelm von Preußen

Des Kaisers Enkel wollte Hitler absetzen

Archivar Jörg Kirschstein hat ein Buch über Prinz Wilhelm von Preußen geschrieben

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
1913 bis 1917 gebaut für die Kronprinzenfamilie, während die Untertanen hungerten oder auf dem Schlachtfeld verbluteten: Schloss Cecilienhof in Potsdam
1913 bis 1917 gebaut für die Kronprinzenfamilie, während die Untertanen hungerten oder auf dem Schlachtfeld verbluteten: Schloss Cecilienhof in Potsdam

Als die Kronprinzessin am 4. Juli 1906 den ersten Enkelsohn von Kaiser Wilhelm II. zur Welt brachte, wurde Salut geschossen und die Tageszeitungen brachten Extrablätter heraus. Mit der Geburt des Prinzen Wilhelm schien der Fortbestand der Dynastie der Hohenzollern bis weit ins 20. Jahrhundert hinein gesichert zu sein. »Nur zwölf Jahre später sah die Welt ganz anders aus«, schreibt Jörg Kirschstein in seinem neuen Buch »Der Erbe des Kaisers«.

Deutschland verlor den Ersten Weltkrieg, Kaiser Wilhelm II. dankte am 28. November 1918 ab und drei Tage später verzichtete Kronprinz Wilhelm auf den Thron. »Damit war auch für Kaiser Wilhelms ältesten Enkel Prinz Wilhelm die vorgezeichnete Lebensbahn abrupt beendet.«

Reichskanzler Max von Baden hatte noch vergeblich versucht, die Krone für den erst Zwölfjährigen zu sichern. Dafür hätte er den SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert durchaus gewinnen können. Doch der Kaiser hätte früher zurücktreten und der Kronprinz sofort verzichten müssen. Der Kronprinz genoss den zweifelhaften Ruf, er habe es sich als Kommandeur eines Armeekorps an der Westfront gutgehen lassen. Während die Soldaten auf dem Schlachtfeld verbluteten und Frauen und Kinder in der Heimat hungerten, ritt der Kronprinz aus, frühstückte spät, setzte sich in die Sonne und ging früh zu Bett. Davon abgesehen hatte der verheiratete Mann Affären.

Prinz Wilhelm dagegen galt als freundlicher Junge ohne Fehl und Tadel, der nach seinem Urgroßvater Kaiser Wilhelm I. geraten war, was als Lob verstanden wurde. Dazu gehörte allerdings sein ausgeprägtes Interesse am Militär. Bereits mit sieben Jahren bekam er einen Offizier als Erzieher und schon mit zehn Jahren wurde Wilhelm selbst Offizier. Denn es gehörte bei den Hohenzollern zur Tradition, so früh in das 1. Garde-Regiment zu Fuß eingereiht zu werden.

Während der Novemberrevolution von 1918 soll Prinz Wilhelm bescheiden gesagt haben: »Ich bin ja nur ein Kind!« In der Weimarer Republik hatte er dann keine Hauslehrer mehr, sondern besuchte mit seinem jüngeren Bruder Louis Ferdinand das Realgymnasium in Potsdam, gehörte dort zu den besten Abiturienten seines Jahrgangs. Sodann studierte Wihelm Jura in Bonn, wo er seine spätere Braut Dorothea von Salviati kennen- und lieben lernte. Sie war von Adel, aber nicht von altem Adel, galt den Hohenzollern also nicht als ebenbürtig.

Der Großvater bestellte seinen Enkel in sein niederländisches Exil ein und beredete ihn, sich von Dorothea zu trennen. Aus Angst, eine Familie nicht ernähren zu können, wenn er seine Apanage verlieren würde, also die Zuwendungen aus dem Vermögen der Hohenzollern, lenkte Wilhelm zunächst ein. Er heiratete Dorothea 1933 aber schließlich doch und verzichtete damit auf die ihm zustehende Erbfolge. Bruder Louis Ferdinand wurde an seiner Stelle nach dem Tod von Vater und Großvater 1951 Oberhaupt des Hauses Hohenzollern. Er wäre es allerdings sowieso geworden. Denn sein älterer Bruder wurde im Mai 1940 als Wehrmachtsoffizier in Frankreich schwer verwundet und erlag seinen Verletzungen. Bei seiner Beisetzung in Potsdam säumten 50 000 Menschen die Straßen. Das veranlasste den davon aufgeschreckten Adolf Hitler zu der Anweisung, Hohenzollern nicht mehr an der Front einzusetzen, weil das Reich auf deren Heldentod verzichten könne.

Prinz Wilhelm war ein Antidemokrat und ein Militarist, wie Buchautor Kirschstein unumwunden schildert. Dass Generaloberst Hans von Seeckt ihm 1926 die Teilnahme an einem Manöver der Reichswehr erlaubte, erzürnte Reichswehrminister Otto Geßler von der Deutschen Demokratischen Partei (DDP). Der Vorfall ist als Prinzenaffäre in die Geschichte eingegangen und führte zur Ablösung von Hans von Seeckt als Chef der Heeresleitung.

Doch anders als Vater und Großvater baute Wilhelm nicht darauf, dass die Nazis sein Geschlecht wieder auf den Thron setzen würden. Er war dagegen, dass sich der antidemokratische Frontsoldatenbund »Stahlhelm« der NSDAP unterwarf und gleichschalten ließ. 1938 war Wilhelm sogar in die sogenannte Septemberverschwörung eingebunden: Wenn Hitler der Tschechoslowakei den Krieg erklärt hätte, hätte er abgelöst und Wilhelm als »Volkskönig« eingesetzt werden sollen. Wilhelm beriet dazu auf seinem Gut Klein-Obisch mit zwei Offizieren über eine Verfassungsdenkschrift. Doch der Staatsstreich blieb aus, weil Großbritannien und Frankreich das Sudentenland mit dem Münchner Abkommen kampflos an Hitlerdeutschland auslieferten.

Jörg Kischstein, der seit 1999 bei der Stiftung preußische Schlösser und Gärten arbeitet, konnte den Lebensweg von Wilhelm so interessant und detalliert nachzeichnen, weil ihm eine Tochter des Verstorbenen den Briefwechsel ihrer Eltern zugänglich machte und er den Nachlass der anderen Tochter auswerten durfte. Außerdem konnte Archivar Kirschstein auf das Familienarchiv auf der Burg Hohenzollern zugreifen.

Jörg Kirschstein: Der Erbe des Kaisers. Bebra-Verlag, 152 S. (geb.), 28 €.

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