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Das Wunder von Friedrichshain
Nicolas Šustr über die Inbetriebnahme der Lifts am Bahnhof Warschauer Straße
Es ist vollbracht. Kaum dreieinhalb Jahre nach dem versprochenen ersten Inbetriebnahmetermin für die Fahrstühle am S-Bahnhof Warschauer Straße tun die dortigen Fahrstühle das, wofür sie gebaut worden sind: Menschen den barrierefreien Zugang zu einer der stärkstgenutzten Stationen im Netz zu gewähren. Für langjährige Beobachter der Arbeiten an dem Gebäude, die mit dem Abriss des Vorgängerbaus im Jahr 2004 begonnen haben, grenzt das an ein Wunder. Denn nicht wenige vermuteten inzwischen ernsthaft, dass das planerisch total verpfuschte Bauwerk wieder abgerissen werden muss, um etwas Funktionierendes hinzubekommen. Ob das am Ende an einem pragmatischen Umgang mit den Brandschutzvorschriften lag oder ob tatsächlich die Mängel behoben worden sind, will man eigentlich gar nicht mehr wissen.
Letztlich wäre es dringend nötig, auch bei den Corona-Impfungen mehr Pragmatismus als behördliche Sturheit walten zu lassen. Wieso wird es seit Wochen achselzuckend hingenommen, dass zur Verfügung stehende Impfdosen nicht da hinkommen, wo sie hingehören: in menschliche Oberarme? Wieso gibt es keine Registriermöglichkeit für Menschen, die bereit wären, für die Immunisierung zu jeder Zeit spontan ein Zentrum zu besuchen, wenn wieder droht, dass der kostbare Stoff liegen bleibt? Mit den Erfahrungen der letzten Wochen müsste auch eine maßvolle Überbuchung der Termine möglich sein. Irgendwer kommt schließlich immer nicht. Die öffentliche Hand muss aus dem Knick kommen, wenn sie als Garant der Daseinsvorsorge wahrgenommen werden soll.
Ansonsten spielt man den Neoliberalen in die Hände. Der Eindruck, dass der Staat es nicht kann, ist brandgefährlich. In der Coronakrise noch viel mehr als beim gewohnten Versagen in der Infrastruktur.
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