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  • Bauen im Berliner Umland

Knappes Bauland und gepfefferte Preise

Corona verschärft die Landflucht, im Umland Berlins gibt es kaum noch bezahlbare Häuser und Wohnungen

  • Wilfried Neiße und Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Nachfrage nach Bauland ist 2020, im ersten Jahr der Corona-Pandemie, weiter gestiegen. Auch wenn der Grundstücksmarktbericht erst im Mai vorgelegt wird, belegen das die Angaben der vorläufigen Marktanalyse des Oberen Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Land Brandenburg. In der im März veröffentlichten Mitteilung ist von »dynamischen Preisveränderungen« die Rede. »Es ist unglaublich viel Geld im Markt, und Brandenburg ist ein attraktiver Standort für Menschen, die Geld unterbringen müssen«, erklärte dieser Tage der Ausschussvorsitzende Jürgen Kuse dazu in der »Märkischen Allgemeinen Zeitung«.

Diese Einschätzung bestätigte auch Dirk Schiefelbein, der Vize-Vorsitzende des regionalen Gutachterausschusses im Landkreis Dahme-Spreewald. Mit dem Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld sowie in unmittelbarer Nähe zur Baustelle der Tesla-Autofabrik ist der Norden des Kreises Teil der am dynamischsten wachsenden Wirtschaftsregion des Landes. »Auffällig ist, dass im sogenannten Speckgürtel Berlins kaum noch Grundstücke zu kaufen sind. Und so geht das Interesse vom Berliner Umland immer stärker in den ›weiteren Metropolenraum‹, ins weitere Umland hinaus«, sagte Schiefelbein dem »nd« auf Nachfrage. Dabei schauten die Leute natürlich auf eine gute Bahnverbindung zu ihrer Arbeitsstelle und einem günstigen Autobahnanschluss. »Selbst in der Region um Lübben ist eine deutliche Baulandverknappung festzustellen«, sagte der Fachbereichsleiter Bodenordnung und Wertermittlung am dortigen Dienstsitz der Kreisverwaltung. »Die Grundstückspreise im Landkreis Dahme-Spreewald steigen weiter an«, hieß es bereits im Februar in einem Zwischenbericht des regionalen Ausschusses. Laut Schiefelbein müsse man für ein durchschnittliches Einfamilienhaus beispielsweise in Eichwalde, das 2019 etwa 395 000 Euro gekostet hat, unter Berücksichtigung der gestiegenen Bodenrichtwerte inzwischen möglicherweise 15 Prozent mehr bezahlen. Allerdings sei man derzeit noch mitten in der Datenauswertung für den neuen Grundstücksmarktbericht.

Der Wunsch nach einem Eigenheim in wirtschaftlich unsicheren Zeit und niedrige Zinsen für Baukredite bewegen offenbar mehr Menschen, ihr Geld in Immobilienbesitz anzulegen. Das sieht wohl auch der Obere Gutachterausschuss des Landes als eine Ursache dafür, dass die Umsätze bei Bauland 2020 in Brandenburg um eine Milliarde Euro auf acht Milliarden Euro gestiegen sind. Weil aber der Flächenumsatz im Vergleich zu 2019 nur um ein Prozent zunahm, ist von einer Verteuerung um fast 15 Prozent auszugehen, so das vorläufige Fazit. Unbebautes Bauland wurde sogar um 26 Prozent teurer.

Die Kaufpreise stiegen vor allem im Umfeld von großen Investitionen. Im Dahme-Spreewald-Kreis war der Umsatz von Bauland beziehungsweise bebauten Flächen gegenüber 2019 um 40 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro gewachsen. Der 2020 im Oktober in Betrieb gegangene BER und die von Tesla angekündigten Beschäftigtenzahlen - von zunächst 12 000, später bis zu 40 000 Mitarbeitern ist die Rede - haben die Nachfrage nach Wohnimmobilien in der Region angeheizt.

So ließ nicht zuletzt der beabsichtigte Bau von Hotels und Büroflächen in der Stadt Königs Wusterhausen, die zum Tesla-Umfeld zählt, die Gesamt-Kaufsumme auf 400 Millionen Euro anschwellen. Auch Wohnungsbauinvestoren haben die Stadt entdeckt. Damit wurde 2020 erstmals die Gemeinde Schönefeld von ihrem Spitzenplatz verdrängt. Allerdings ist im Flughafenumfeld das Interesse an Gewerbeflächen ebenfalls angestiegen. Noch immer hat Schönefeld den höchsten Bodenrichtwert im Landkreis.

Lange Jahre lag Berlin-Brandenburg im bundesdeutschen Baukosten-Vergleich weit zurück. Hier war der Kauf von Bauland und Immobilien deutlich kostengünstiger als der im Bereich München, Frankfurt (Main) oder Hamburg. Inzwischen haben die Hauptstadt und ihr Umland aufgeholt, was freilich zulasten von Menschen geht, die sich ein Eigenheim zulegen wollen und nicht durch Erbschaften oder hohe Einkommen verwöhnt sind. Von einer Verfünffachung der Bodenpreise in Zeuthen und Schönefeld (beide Dahme-Spreewald), aber auch in der Stadt Nauen (Havelland) westlich von Berlin, sprach Jürgen Kuse vom Oberen Gutachterausschuss.

Und der Zuzug ins Umland hält an. Beobachter rechnen damit, dass Nauen bald mehr Einwohner als Frankfurt (Oder) haben könnte. Brandenburg weist, anders als andere Länder im Osten, 2020 einen Einwohnerzuwachs von 15 000 Menschen aus. So zieht es viele Berliner in eine Wohnung, eine Doppelhaushälfte oder ein Einfamilienhaus im Grünen.

Brandenburgs Grundstücksmarktbericht fußt auf den Berichten von 16 regionalen Gutachterausschüssen. Laut Kuse hängt die starke Verteuerung des Wohnraums auch mit beträchtlich gestiegenen Baukosten zusammen, sei also nicht ausschließlich auf Spekulation zurückzuführen. Ferner sei erkennbar, dass die meisten Käufe durch Eigennutzer getätigt würden, also nicht, um Wohnungen oder Häuser zu vermieten oder weiter zu verkaufen.

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