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Ausgebremstes Leben

Mit einem neuen Infektionsschutzgesetz will der Bund die dritte Coronawelle unter Kontrolle bekommen

Der Bund will die Kontrolle über die Anti-Corona-Maßnahmen nicht länger den Ländern allein überlassen und damit für ein wirksameres Vorgehen gegen die Pandemie sorgen. Zum Beschluss des Kabinetts zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes, mit der sich die Regierung eine »Bundes-Notbremse« schaffen will, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag in Berlin, angesichts der Lage müsse die Pandemiebekämpfung »stringenter und konsequenter werden«. Dazu reichten die bisherigen Bund-Länder-Beratungen nicht mehr aus. Das neue Gesetz bedeute, »auf einen Nenner gebracht: Wir setzen die Notbremse bundesweit um«. Es diene dem »Ziel, unser ganzes Land aus dieser Phase der stetig steigenden Infektionszahlen, der sich füllenden Intensivstationen und der bestürzend hohen täglichen Zahl der Corona-Toten herauszuführen«. Die dritte Welle der Pandemie habe das Land »fest im Griff«, so die Kanzlerin. »Wenn wir warten, bis alle Intensivbetten belegt sind, wäre es zu spät. Das dürfen wir nicht zulassen.«

Gelten soll die »Bundes-Notbremse« in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt beim Überschreiten des Inzidenzwerts von 100 an drei Tagen hintereinander. Vorgesehen ist dabei vor allem eine drastische Einschränkung des privaten und öffentlichen Lebens. So dürfen sich die Angehörigen eines Haushaltes dann nur noch mit maximal einer weiteren Person treffen, wobei eine Höchstzahl von insgesamt fünf Personen gilt. Kinder unter 14 Jahren werden nicht mitgezählt.

Für Kontroversen sorgt vor allem die geplante Ausgangssperre zwischen 21 und 5 Uhr. In diesem Zeittraum darf die eigene Wohnung oder das eigene Grundstück nicht mehr verlassen werden, sofern nicht ein Ausnahmefall vorliegt. Dazu zählen etwa die »Abwendung einer Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum« wie etwa gesundheitliche Notfälle bei Mensch und Tier oder dringende medizinische Behandlungen. Ausgenommen sind zudem die Ausübung eines Berufs, eines Mandats, journalistische Berichterstattung, die Wahrnehmung von Sorge- oder Umgangsrecht, die unaufschiebbare Betreuung Unterstützungsbedürftiger oder Minderjähriger, die Begleitung Sterbender, die Versorgung von Tieren oder »ähnlich gewichtige und unabweisbare Gründe«.

Für Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, gehen diese Regelungen zum jetzigen Zeitpunkt zu weit. Gegenüber dem Sender Phoenix erklärte sie: »Ausgangssperren können nur das allerletzte Mittel sein, wenn alles andere nicht gewirkt hat.« Viele Maßnahmen seien jedoch noch nicht ausgeschöpft. »Das genau ist das Problem, das wir sehen: Es ist verfassungsgemäß wahrscheinlich nicht haltbar«, so Göring-Eckardt. Alle bisherigen Gerichtsurteile hätten das bestätigt.

Neben dem Privaten treffen die Maßnahmen auch Geschäfte, Freizeit- und Kultureinrichtungen, die Gastronomie, die unter Notbremse-Bedingungen nicht öffnen dürfen. Ausgenommen sind unter anderem der Lebensmittelhandel, Getränkemärkte, Reformhäuser, Friseurbetriebe, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Buchhandlungen, Blumenfachgeschäfte, Tierbedarfsmärkte und Gartenmärkte.

Auch Speisesäle in medizinischen oder pflegerischen Einrichtungen, Angebote für obdachlose Menschen, die Bewirtung von Fernfahrer*innen sowie das Ausliefern von Speisen und Getränken sowie deren Verkauf zum Mitnehmen sollen weiter geöffnet bleiben beziehungsweise erlaubt sein. Auch Dienstleistungen, die medizinischen, therapeutischen, pflegerischen oder seelsorgerischen Zwecken dienen, dürfen laut der Vorlage weiter angeboten werden.

Die bundesweite Corona-Notbremse wird nun doch im Bundestag beraten. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wollen die Fraktionen einem Verzicht auf Beratungsfristen nicht zustimmen. Nun ist die erste Beratung im Plenum an diesem Freitag und der Bundestagsbeschluss für Mittwoch kommender Woche geplant. Mit Agenturen

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