Abzocke mit neuen Fenstern

Wenn Wohnungskonzerne modernisieren, kann es für die Mieter schnell teuer werden - oft zu teuer. Ein Beispiel aus Dortmund

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Immobilienkonzern Vonovia entwickelt sich prächtig. Mit über 400 000 Wohnungen ist er mit Abstand Marktführer auf dem deutschen Wohnungsmarkt. Das vor allem aus der Privatisierung großer öffentlicher Wohnungsbestände entstandene Unternehmen tut was für seine Anleger. Umsatz, Gewinn, Aktienkurs, Dividende - alle wesentlichen Kennziffern haben sich auch 2020 deutlich verbessert. Das kommt nicht von ungefähr: Der Konzern ist in vielen Städten für seinen ruppigen Umgang mit Mietern, für mangelnde Instandsetzungen und die Ausreizung aller Spielräume für Mieterhöhungen und Modernisierungsumlagen berüchtigt. Dabei pflegt man offenbar mitunter auch eine sehr »kreative« Auslegung von einschlägigen Gesetzen und Grundsatzurteilen, wie ein krasses Beispiel aus Dortmund demonstriert, das der örtliche Mieterverein gemeinsam mit dem Deutschen Mieterbund (DMB) am Mittwoch auf einer Online-PK vorstellte.

Dabei geht es um die Wohnanlage am Bahnhof Tierpark, die rund 200 in den 1970er Jahren errichtete Wohnungen umfasst. Die ehemals zur Post gehörenden Wohnungen landeten über einige Umwege bei Vonovia. Im vergangenen Jahr erhielten die Mieter Modernisierungsankündigungen. Im Mittelpunkt standen der Austausch der Fenster und der Heizkörper. Die Modernisierungsumlage sollte bis zu zwei Euro pro Quadratmeter betragen. Einige Mieter wandten sich an den Mieterverein, weil ihnen die Berechnung nicht schlüssig erschien. Und in der Tat: Der Konzern hatte die höchstrichterliche Rechtsprechung offensichtlich ignoriert. Der Bundesgerichtshof hatte im Juni 2020 entschieden, dass bei der Berechnung umlagefähiger Modernisierungskosten das Alter, der Verschleiß und die Restlebensdauer der ausgetauschten Teile berücksichtigt werden müssen. 30 bis 50 Jahre alte Fenster müssten demnach ohnehin bald ersetzt werden, als nicht umlagefähige Instandhaltung der Wohnung. Nur Kosten - etwa für höherwertige, wärme- und schalldämmende Fenster - die über die Kosten der Ersetzung der alten durch vergleichbare neue Fenster hinausgehen, können auf die Mieter umgelegt werden. Vonovia wollte aber lediglich minimale »Instandhaltungspauschalen« von den Modernisierungskosten abziehen.

Nachdem rund 50 Mieter die Modernisierungserhöhungen mit Unterstützung des Mietervereins abgelehnt hatten, reagierte der Konzern teilweise mit Mahnungen. Doch die Rechtslage ist nach Auffassung von Martin Grebe, Leiter der Rechtsberatung beim Mieterverein Dortmund, relativ eindeutig: »Der Konzern muss die Umlage neu berechnen und die vom BGH geforderten Parameter berücksichtigen.« Auch bereits gezahlte, möglicherweise zu hohe Modernisierungszulagen könnten von Mietern innerhalb der Verjährungsfrist zurückgefordert werden.

DMB-Präsident Lukas Siebenkotten betonte, dass dies kein Einzelfall sei. »Vonovia erzielt durch Modernisierungen ihrer Bestände jährlich Mieterhöhungen im Millionenbereich. Die zu geringen Abzüge für Instandsetzungen widersprechen sowohl dem Gesetz als auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und sind regelmäßig Schwerpunkte der Beratungen durch unsere örtlichen Mietervereine«, so Siebenkotten. Von Vonovia fordert der DMB-Präsident, sich öffentlich zur Einhaltung der Rechtslage zu bekennen, um unnötige Auseinandersetzungen zu vermeiden und die Benachteiligung der Mieter bei Modernisierungen zu beenden. Es gehe »um viel Geld, das den Mieterinnen und Mietern - und nicht Vonovia - zusteht«, so Siebenkotten.

Doch auch generell gehöre der Paragraf 559 des Bürgerlichen Gesetzbuches, der pauschale, unbefristete Mietzuschläge nach Modernisierungen ermöglicht, »auf den Müllhaufen«. Diese Form der Sondermieterhöhung passe nicht in die Systematik des in den Mietspiegeln abgebildeten Vergleichsmietensystems, das ja auch Wohnwerterhöhungen berücksichtigt.

Zwar genießt der börsennotierte Konzern gerade in Bezug auf Instandhaltungen und Modernisierungen einen besonders schlechten Ruf, doch ein einzelnes schwarzes Schaf ist Vonovia nicht. Deswegen appelliert der Mieterbund auch an alle Mieter, Modernisierungsankündigungen in jedem Fall von fachkundigen Beratern prüfen zu lassen. Sicherlich ein probates Mittel, um sich gegen dreiste Abzocke zu wehren. Einen radikaleren Weg schlägt allerdings die Berliner Initiative »Deutsche Wohnen&Co enteignen« ein, die gerade Unterschriften für ein entsprechendes Volksbegehren sammelt. Dort steht Vonovia auf der Liste der zu vergesellschaftenden Wohnungsunternehmen sehr weit oben.

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