Polizei hat nun »Holschuld«

U-Ausschuss zum Halle-Anschlag beschließt Abschlussbericht

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 2 Min.

Der rechtsextreme Anschlag von Halle, bei dem am 9. Oktober 2019 zwei Menschen starben, ist aus Sicht eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Landtag von Sachsen-Anhalt kaum vorhersehbar gewesen. Im Abschlussbericht des Ausschusses heißt es, der Täter sei »vor der Tat nicht sicherheitsrelevant aufgefallen und war für die Behörden in seinem Bedrohungspotenzial nicht erkennbar«. Ein erhöhter polizeilicher Schutz der Synagoge, in die der Täter einzudringen versuchte, hätte aus verschiedenen Motiven - etwa politischer Priorisierung oder Unsicherheit der Gefährdeten - heraus erfolgen können, sei aber »aufgrund der Gefahrenanalyse ausgeblieben«. Der Bericht, der »nd« vorliegt, wurde am Mittwoch in der letzten Ausschusssitzung beschlossen und soll am Freitag der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Am 9. Oktober 2019, dem höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, hatte ein Attentäter aus Benndorf im Landkreis Mansfeld-Südharz versucht, in die Synagoge zu stürmen und ein Blutbad anzurichten. Nachdem er an der Tür gescheitert war, tötete er die 40-jährige Jana L. vor der Synagoge und den 20-jährigen Kevin S. in einem Dönerimbiss. Im Dezember 2020 wurde er vor dem Landgericht Magdeburg zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Im Bericht des Untersuchungsausschusses heißt es nun, ein explizites Sicherheitskonzept für Jom Kippur habe es nicht gegeben - offenbar, weil der Kontakt zwischen Jüdischer Gemeinde und Polizei über die Jahre eingeschlafen war. Vor dem Anschlag war die Synagoge nur bestreift, nicht dauerhaft bewacht worden - erst seitdem gibt es vor dem Gotteshaus einen dauerhaften Polizeiposten. Der Ausschuss regt an, die Verantwortung für Sicherheitsgespräche künftig stärker in Richtung Polizei zu verschieben - in der juristischen Fachsprache »Holschuld« genannt.

Die Linksfraktion fordert unterdessen: Kein Schlussstrich! »Dieser Ausschuss mit diesem Untersuchungsauftrag ist grundsätzlich nicht geeignet, den Anschlag vom 9. Oktober 2019 und den damit verbundenen Problemkomplex Umgang der Sicherheitsbehörden mit rechtem Terror aufzuarbeiten«, so die innenpolitische Sprecherin Henriette Quade. Der Ausschuss habe zentrale Fragen ausgeklammert: die der Motivation des Täters und der gesellschaftlichen Entstehungsbedingungen rechten Terrors.

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