«Staatsfeind Nummer 1»

Große Koalition und Linke tragen verschärften Lockdown im Nordosten mit

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Nordosten hatte schon vor einiger Zeit zur Abwehr des Coronavirus «die Schotten dicht» gemacht, Einreisen weitgehend verboten. Nun machen verschärfte Verordnungen die unsichtbaren Sperren an den Landesgrenzen noch dichter. Von Montag an dürfen sie auch Menschen, die in Mecklenburg-Vorpommern einen Zweitwohnsitz haben, nicht ohne triftigen Grund passieren. Präsenzunterricht in Schulen findet nur für Abschlussklassen statt. Für Kinder von der ersten bis zur sechsten Klasse und in Kitas gibt es Notbetreuung.

Nur Beispiele sind dies für den umfangreichen Katalog der Einschränkungen, für die Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) am Freitag im Landtag um Verständnis warb. Hintergrund der Maßnahmen ist die Sieben-Tages-Inzidenz, die am Samstag landesweit bei 150 lag. «Wir sind an einem Punkt angekommen», an dem wir stärkeren Schutz benötigen«, konstatierte die Regierungschefin. Corona, der »Staatsfeind Nummer 1«, könne jede und jeden treffen, mahnte sie.

Konsequentes Handeln sei angesagt, betonte Schwesig. Das Land werde nicht auf den Bund und dessen Novelle des Infektionsschutzgesetzes warten. »Wir stehen hier in der Verantwortung«, rief die Ministerpräsidentin dem Plenum zu, und in diesem Sinne stimmte die Große Koalition aus SPD und CDU dem härteren Lockdown ebenso zu wie die Linksfraktion. Allein die AfD, deren Redner kaum ein gutes Haar an den Regeln ließen, sagte nein.

Gegen das Warten auf ein neues Gesetz aus Berlin plädierte auch CDU-Fraktionschef Wolfgang Waldmüller. Jeder Tag des Zögerns gefährde die Zahl der zur Verfügung stehenden Intensivbetten, warnte er.

Kritik nach Berlin richtete die Vorsitzende der Linksfraktion, Simone Oldenburg. Es sei zwar richtig, dass sich die Bundesregierung endlich zu einem einheitlichen Vorgehen durchgerungen habe, aber das komme »viel zu spät für die Akzeptanz bei der Bevölkerung«. Nahezu leidenschaftlich plädierte die Politikerin dafür, in puncto Impfen müsse »Dampf gemacht« werden, auch mit Blick auf den russischen Impfstoff »Sputnik V«.

Für dessen Einsatz im Nordosten hatten sich bereits Regierungschefin Schwesig und Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) stark gemacht. Es dürfe keine ideologische Vorbehalte gegen welche Medizin auch immer geben, unterstrich Simone Oldenburg. »Das einzige was zählt, ist die Wirksamkeit«, so die Abgeordnete.

Damit das schützende Pieksen zügiger vor sich geht als bisher, wolle das Land einen »zentralen Impfmanager« einsetzen, kündigte Manuela Schwesig im Landtag an. Und wenn sie dort auch das parteiübergreifende Handeln zur Coronaabwehr würdigte, so gab es von ihr doch eine Äußerung, hinter der kritische Beobachter einen Hauch von Wahlkampf vermuteten: Schwesig hatte im Plenum eine verzögerte Meldung des Inzidenzwertes vom Kreis Vorpommern-Greifswald gerügt. Verantwortlich für jene Kommune ist Landrat Michael Sack. Der CDU-Mann, Landesvorsitzender seiner Partei, ist deren Spitzenkandidat bei der Landtagswahl am 21. September - und damit Konkurrent von Manuela Schwesig.

Von ihr fühlte sich Sack wegen der Meldungsschelte angezählt. Dem NDR sagte er: »Ich bin noch nicht im Wahlkampf. Ich stelle fest, alle anderen schon.« Doch gelte es, gemeinsam die Krise zu bewältigen. »Denn es geht jetzt um die Gesundheit im Land«, sagte Sack.

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