Kunden bleibt Recht auf Entschädigung
EuGH zu Pilotenstreik
Die Fluggesellschaft könne nicht argumentieren, dass ein solcher Streik ein »außergewöhnlicher Umstand« sei, insbesondere wenn dieser sich an geltendes Recht halte, urteilte der Europäische Gerichtshof (Rechtssache C-28/20) am 23. März 2021. Wenn sich der Arbeitskampf darauf beschränke, etwa Gehaltserhöhungen oder bessere Arbeitszeiten durchzusetzen, sei das »Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Unternehmens«.
Das Unternehmen Airhelp, spezialisiert auf Durchsetzung von Fluggastrechten, bezeichnete die Entscheidung als »bahnbrechend«. »Der EuGH setzt einen neuen Standard dafür, wie Streikfälle behandelt werden, da die Entscheidung für alle EU-Länder und Fluggesellschaften verbindlich ist.« Das Urteil stärke aber nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Arbeitnehmervertreter.
Der Fall: Ein Fluggast will von einer Fluggesellschaft einen Ausgleich in Höhe von 250 Euro, weil ein für April 2019 geplanter Flug von Malmö nach Stockholm am selben Tag wegen eines Pilotenstreiks in Norwegen, Schweden und Dänemark annulliert wurde. Wegen der mehrtägigen Arbeitsniederlegung seien über 4000 Flüge gestrichen worden, wovon 400 000 Fluggäste betroffen waren. Die pauschale Ausgleichszahlung hätte der Fluggesellschaft rund 120 Millionen Euro gekostet.
Das Urteil: Damit etwas als »außergewöhnlicher Umstand« im Sinne der rechtlichen Grundlagen bezeichnet werden kann, was die Airlines von ihren Entschädigungspflichten entbindet, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen dürfe das Ereignis, das zum Flugausfall führte, nicht Teil der normalen Betriebstätigkeit sein. Zum anderen dürfe es von der Airline nicht beherrschbar sein.
Dies sei von Fall zu Fall zu betrachten. So kann ein Streik ein »außergewöhnlicher Umstand« sein, wenn er von Mitarbeitenden anderer Unternehmen (etwa von Fluglotsen) durchgeführt wird, oder die Streikforderungen nur von staatlichen Stellen erfüllt werden könnten.
2018 hatte der EuGH geurteilt, dass selbst bei »wilden Streiks« Airlines nicht automatisch von ihrer Entschädigungspflicht befreit seien. Hintergrund waren massenhafte Krankmeldungen der Besatzungen von Tuifly. Das Unternehmen hatte laut EuGH überraschend Umstrukturierungen angekündigt. Konflikte mit Mitarbeitern seien von daher nicht ungewöhnlich. dpa/nd
Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Dank der Unterstützung unserer Community können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen
Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.