Lachen vor dem Laptop

SONNTAGSSCHUSS: Über Interviews mit Markus Söder und Verlautbarungen des Dresdener Sportdirektors.

Am Sonntagmorgen musste ich zum zweiten Mal an diesem Wochenende beim Lesen eines Textes laut lachen. Bereits am Samstag hatte ich in der »Süddeutschen Zeitung« ein Interview mit Markus Söder gelesen, in dem er Armin Laschet wohlformuliert eine Ohrfeige nach der nächsten verabreichte. Nur um dann zwischen all den Peitschenhieben zwei Sätze zu sagen, bei denen ich nicht der Einzige gewesen sein dürfte, der nicht mehr an sich halten konnte. »Ich hatte nie vor, die Kandidatur ohne Rücksicht auf Verluste anzustreben«, sagte Söder. »Aber ich wäre bereit gewesen, diesen Dienst und die dann auch schwerste Zeit meines Lebens auf mich zu nehmen.« Er will ja eigentlich gar nicht, der Markus. Aber wenn das Vaterland in seiner Verzweiflung nach einem Erlöser ruft …

Nun muss man wissen, dass sich Söder schon als Teenager vor Franz-Josef-Strauß-Postern ablichten ließ. Dass das damals nicht für eine Intervention durch psychologisch geschultes Personal reichte, war kein Ruhmesblatt in der Geschichte des Staatlichen Schulamtes zu Nürnberg. Dieser Mann, das ist nun wirklich offensichtlich, hatte schon pränatal den Wunsch, wenigstens Kanzler zu werden. Zumindest so lange Versailles als Amtssitz nicht zur Verfügung steht. Wer sich da auf seine eigene Menschenkenntnis nicht verlassen mag, möge sich erneut in Nürnberg umhören, wo selbst Menschen, die ihm politisch nahestehen, erstaunlich oft ein Schimpfwort mit »A ...« benutzen, wenn sie gefragt werden, wie der kleine Markus denn als Mitschüler so gewesen sei. Eines müsse man ihm aber lassen, versichern sie: Er sei sich bis heute treu geblieben. Söder hat es auch schon geschafft, als Mitglied des 1. FC Nürnberg neben Uli Hoeneß mit Bayern-Trikot zu posieren.

Das zweite Mal musste ich am Sonntagmorgen laut lachen. Nur dass ich diesmal nicht mit einer Zeitung im Garten saß und irritierte Blicke vom Gehweg erntete - man kann auch ganz prima vorm Laptop lachen. Es ging um die Entlassung von Dynamo Dresdens Trainer Markus Kauczinski, wobei ich zugeben muss, dass ich bei dieser Konstellation befangen bin. Zum einen, weil ich Dynamo als einem der faszinierendsten Vereine des Landes von ganzem Herzen den Aufstieg gönnen würde. Zum anderen, weil ich Kauczinski kenne und schätze.

Also mal ganz nüchtern betrachtet und einkalkuliert, dass ich möglicherweise die genauen Hintergründe nicht kenne. Ebenfalls einkalkuliert, dass Sportdirektor Ralf Becker es wie fast alle seine Kollegen gemacht hat, als er sich am Samstag hinter der hochgradig nichtssagenden Formulierung verschanzte, »diese Entscheidung« sei ihm »wirklich nicht leicht gefallen«. Zum einen wäre das Gegenteil - aus Jux und Dollerei eine mutmaßlich gut bezahlte Führungskraft zu feuern - auch peinlich. Und zum anderen suggeriert das eine Skrupelhaftigkeit und Nachdenklichkeit, die in der Branche selten anzutreffen ist.

Dynamo will aufsteigen und hat zuletzt zwei Spiele gegen Gegner verloren, die in der Dritten Liga gegen den Abstieg spielen. Es gibt Funktionäre, wahrscheinlich sind es sogar die meisten, die dann panisch werden und den Trainer entlassen. Es gibt aber auch Funktionäre, die Dinge anders einordnen, fachlicher. Hoffenheims Alexander Rosen ist so einer. Kritik am Trainer ließ der im Frühjahr gar nicht erst aufkommen, weil er wusste, dass eine Mannschaft, die ein Dutzend Coronafälle in ihren Reihen hatte, andere Ergebnisse erzielen muss, als das in einer normalen Saison der Fall wäre. Dynamo hat es in der dritten Liga ähnlich getroffen wie Hoffenheim in der ersten. Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres musste das Team in Quarantäne. Und normales Training ist bekanntlich im heimischen Wohnzimmer eine schwierige Sache.

In den zehn Spielen vor der Coronapause verlor Dynamo unter Kauczinski zwei Spiele, holte drei Remis und gewann fünfmal. Der Klub stand an der Tabellenspitze und stünde auch heute, wären coronabedingt nicht die Spiele gegen Uerdingen und Duisburg ausgefallen, die Dresden in der damaligen Form wohl gewonnen hätte. Das kann Dynamo ja bald auch noch mal nachholen. Man wird also schon mal lachen dürfen, wenn der Sportdirektor den »Sturz auf Platz vier« als Grund für die Entlassung anführt.

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