Für Rentenansprüche aus häuslicher Pflege

Die Linke möchte pflegende Angehörige im Hinblick auf deren eigene Alterssicherung besserstellen.

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Linke möchte mit einem Antrag im Bundestag die rentenpolitische Benachteiligung von pflegenden Angehörigen aufheben. Eine öffentliche Anhörung dazu fand am Mittwoch im Gesundheitsausschuss des Parlaments statt. Zunächst machten die Abgeordneten um Pia Zimmermann in ihrem Antrag noch einmal klar, welche Mammutaufgabe von den Pflegenden Tag für Tag, teils viele Jahre lang gelöst wird.

Drei Viertel der insgesamt fast vier Millionen pflegebedürftigen Menschen werden in Deutschland zu Hause versorgt. Um die Grundbedürfnisse dieser etwa 3,1 Millionen Personen kümmern sich in wiederum 84 Prozent der Fälle ausschließlich Angehörige und Nahestehende. Zahlen von 2018 besagen zudem, dass nur 673 000 der hier Pflegenden auf Basis dieser Tätigkeit in der Rentenversicherung pflichtversichert sind, davon sind wiederum 88 Prozent Frauen. Für diese Pflichtversicherten insgesamt wurden 2020 immerhin 2,72 Milliarden Euro von der Pflegeversicherung ausgegeben.

Die übrigen, deutlich mehr als zwei Millionen pflegenden Angehörigen erhalten gerade mal ein Pflegegeld, das sind je nach Pflegegrad zwischen 316 und 901 Euro monatlich. Vergleicht man diese Summen selbst mit den geringen Löhnen in der Hauskrankenpflege, wird wieder einmal deutlich, dass die familiäre Pflege der billigste (weil fast kostenlose) Pflegedienst Deutschlands ist. Hier fehlen zudem noch Zahlen: Die Menschen, die sich um Angehörige kümmern, ohne Leistungen der Pflegeversicherung zu beziehen, sind bisher in keiner Statistik erfasst.

Häusliche Pflege ist zudem vor allem Frauensache. Nicht alle Menschen, die Angehörige versorgen, haben ihre Lohnarbeit aufgegeben. Nach Zahlen der Deutschen Rentenversicherung waren zumindest von den dort versicherten Pflegepersonen noch mehr als 46 Prozent zusätzlich als Beschäftigte oder Selbstständige versichert. Fast 15 Prozent waren arbeitslos, mehr als 60 Prozent mindestens 50 Jahre alt.

Hier scheint das Rentenproblem der Pflegenden deutlich auf: reguläre Einkommen werden wenn, dann nur in Teilzeit, erarbeitet - und es bleiben nicht mehr viele Lebensjahre vor dem eigenen Eintritt ins Rentenalter. Die Stiftung Pflegender Angehöriger brachte es in ihrer Stellungnahme zur Anhörung auf den Punkt: »Wie sollen vor allem Frauen neben einer Pflege, die sich zum Teil 24 Stunden an sieben Tagen der Woche und an 365 Tagen im Jahr erstreckt, auch noch berufstätig sein und ihre Altersabsicherung erwirtschaften?« Die Tätigkeiten, die hier erwartet werden, seien zudem so umfangreich, dass kaum vorstellbar sei, wie diese Leistungen neben Beruf, Partnerschaft, Kindererziehung und einem eigenen Haushalt zu bewältigen sein sollen, so die Stiftung.

»Pflegende Angehörige brauchen dringend Verbesserungen«, so Pia Zimmermann, pflegepolitische Sprecherin der Linken im Bundestag. Ihre Partei möchte erreichen, dass alle Pflegepersonen, unabhängig von ihrem Erwerbsstatus zusätzliche Rentenansprüche aus ihrer Versorgung von Angehörigen erwerben. Das solle ohne Einschränkung auch für Menschen in Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit gelten. Zur Finanzierung sollten wiederum die Pflegekassen für diese Alterssicherung mehr an die gesetzliche Rentenversicherung abführen. Auch dann, wenn die Pflegepersonen selbst die Altersgrenze für Rentenbezüge erreicht haben, sollen sie weiter zusätzliche Rentenansprüche aus der häuslichen Pflege erwerben können. Renteneinbußen durch reduzierte Erwerbsarbeit sollen in Zukunft ausgeschlossen werden. Zudem fordert die Linke ein sechswöchige bezahlte Freistellung für den Fall, dass eine Pflegesituation erstmalig eintritt.

Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung sieht in seiner Stellungnahme zu dem Linken-Antrag durchaus einen Vorteil: »Mit einer rentenrechtlichen Aufwertung von nicht erwerbsmäßiger Pflegetätigkeit ginge ... die Stärkung einer tragenden Säule der sozialen Pflegeversicherung« einher. Der Kassenverband hält zudem die Stärkung und Flexibilisierung von Hilfs- und Entlastungsangeboten für notwendig. Angemerkt wird zu der Ausweitung der rentenrechtlichen Ansprüche jedoch auch, dass diese zwar eine »Reformoption« darstellen, die Finanzierung jedoch aus Zuschüssen des Bundes erfolgen müsse, da die Alterssicherung Pflegender eine versicherungsfremde Leistung für die Pflegeversicherung sei.

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