Das Kreuz im Gebirge

Gedenken in Kroatien

  • Sadija Kavgic
  • Lesedauer: 3 Min.

Es gibt gute Gründe, die Stadt Gospić im dalmatinischen Hinterland zu besuchen. Nur sieben Kilometer entfernt wurde 1856 der Physiker und Erfinder Nikola Tesla geboren. Im April 2021 wurde ein Denkmal zu seinen Ehren errichtet, eine Replik des Werks von Frano Kršinić, das in den USA und in Belgrad schon seit Langem steht. Bereits 1981 war eine Kopie in Gospić aufgestellt worden - Hassobjekt für die kroatischen Nationalisten, das zehn Jahre später gesprengt wurde. Im selben Jahr, 1991, als die Republik Kroatien sich von Jugoslawien trennen wollte, standen die Anhänger des 1941 proklamierten Unabhängigen Staates Kroatien (USK, kroat.: NDH) kampfbereit. Gospić war seit Ende der 1920er Hochburg der Ustascha. Unterm Schutz der Hitler-Wehrmacht wurde hier der erste Lagerkomplex Gospić-Jadovno-Pag aufgebaut, um systematisch Gegner zu ermorden. Ab Juni 1941 trafen Züge mit Menschen aus allen Landesteilen »Großkroatiens« am Bahnhof ein, von wo aus sie ins 23 Kilometer entfernte Lager getrieben wurden.

Wir sind mit einem Kleinwagen zum Memorial von Jadovno unterwegs. Wenige Tage zuvor fand dort eine Trauerfeier für die mindestens 15 000 dort ermordeten Menschen statt. Wir wissen nicht, was uns erwartet, und fahren langsam, vorbei an wenigen Häusern; dann folgt der Anstieg: Velebit, das Gebirge mit zwei Nationalparks, in dem Braunbären und Wölfe leben. Unzählige Schluchten. Als das zehn Kilometer entfernte Lager überfüllt war, trieb man die Häftlinge, in Gruppen aneinander gefesselt, an den Rand der Schlucht. Es genügte, den ersten zu erschlagen; er riss die anderen mit sich in die Tiefe.

Wir fahren weiter, der Wald wird dichter. Beklommenheit stellt sich ein. Von Weitem erblicken wir ein riesiges weißes Kreuz. Das muss es sein. Kein Mensch zu sehen. Wir halten an. An der Denkmaltafel lesen wir: »Die kroatischen nationalen Revolutionäre - die Ustaschas, haben die Flamme der kroatischen staatlichen Unabhängigkeit angezündet, die im Heimatkrieg 1991-1995 verwirklicht wurde. Zum 80-jährigen Jubiläum des Velebit-Aufstandes. Am 14. September 2013«.

Ein Denkmal zur Ehre der Ustascha! Zwei Monate nach dem Beitritt Kroatiens in die EU eingeweiht! Schnell steigen wir wieder ins Auto, fahren weiter und weiter. Tief im Wald sichten wir dann die Gedenkstätte. Spuren des Vandalismus: Es fehlen fast alle Tafeln. An der Mittelsäule liegen Blumenkränze der jüdischen und serbischen Gemeinden, antifaschistischer kroatischer Vereinigungen.

»Za dom spremni« (Für die Heimat bereit) war der offizielle Gruß im NDH. Unter diesem Schlachtruf versammeln sich seit 1991 wieder kroatische Nationalisten. Auch in Gospić. Und machten Jagd auf Serben. Im Jahr 2000 wurde Milan Levar, ein kroatischer Soldat, umgebracht, weil er über diese Verbrechen vor dem Haager Tribunal aussagen wollte. Seine Mörder wurden nie vor Gericht gestellt.

Seit 1991 wurden etwa 3000 Gedenkobjekte im Land zerstört. Dennoch gibt es gute Gründe, Gospić zu besuchen. Das 2006 eröffnete Museum Nikola Tesla in Smiljani zeigt die Erfindungen dieses Mannes, der als ein Serbe gilt.

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