FDP lobt Finanzsenator beim Vorkaufsrecht
Wegen verweigerter Zuschüsse von Rot-Rot-Grün müssen Mieter in Kreuzberg bangen
»Es ist zu begrüßen, dass die Senatsverwaltung für Finanzen nicht einfach Geld für die Ausübung des Vorkaufsrechts zur Verfügung stellt«, lobt Sibylle Meister das Agieren der Verwaltung von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD). Die Immobilienmaklerin ist haushaltspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.
Es geht um des Kreuzberger Hauses Reichenberger Straße 108. In den 20 Wohnungen des eigenwilligen Baus leben Menschen aus 14 Nationen. Die meisten Mieter haben sehr geringe Einkommen oder leben von Transferleistungen. Unter ihnen sind drei Großfamilien, die sich mit bis zu acht Familienmitgliedern eine Dreizimmerwohnung teilen. »Wir machen uns große Sorgen, dass viele ihre Wohnungen verlieren werden, wenn das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt wird«, sagt Mieter Hubert Truckenbrodt zu »nd«. Die Frist dafür läuft diesen Mittwoch aus.
Nach nd-Informationen will der Käufer, die zur Hansereal Grundstücks GmbH gehörende Urbane Werte GbR, nicht die vom Bezirk vorgelegte sogenannte Abwendungsvereinbarung akzeptieren, die die Aufteilung in Eigentumswohnungen und Luxusmodernisierungen für 20 Jahre ausschließt. Die mögliche Zukunft können die Mieter in ihrem Hinterhof besichtigen. In dem dort 2018 entstandenen Neubau werden Wohnungen für 6000 Euro pro Quadratmeter verkauft oder auch für 18 Euro vermietet.
Doch für FDP-Politikerin Meister ist klar, dass Grüne und Linke »mit dubiosen Erzählungen und billigen Vorurteilen« versuchten, die eigene Agenda durchzusetzen und bei Mietern »Angst und Schrecken auslösen«.
Der Haken für die Ausübung des Vorkaufsrechts: Die landeseigene Gewobag hat einen höheren Zuschussbedarf errechnet, als er im Regelfall gewährt wird. Die Finanzverwaltung will deswegen die Mittel nicht freigeben.
»Der Gewobag fehlen 320 000 Euro«, heißt es aus dem Büro der SPD-Bundestagsabgeordneten Cansel Kiziltepe auf nd-Anfrage. Das sei weniger als eine einzelne Wohnung in der Gegend oft koste.
Immer öfter scheitert in Friedrichshain-Kreuzberg die Ausübung von Vorkaufsrechten. Laut einer »nd« vorliegenden Statistik mussten im laufenden Jahr fast zwei Drittel der 15 bisher abgeschlossenen Verfahren eingestellt werden - oft wegen nicht ausreichender Zuschüsse. Einmal wurde das Vorkaufsrecht ausgeübt, fünfmal wurde eine Abwendungsvereinbarung geschlossen. 2019 und 2020 musste nicht mal ein Drittel der Prüfungen eingestellt werden. Aus Neukölln wird von einer vergleichbaren Tendenz berichtet.
»Unverständlich« nennt Linke-Wohnungspolitikerin Gaby Gottwald die Ablehnung des Zuschusses für die Reichenberger Straße. Der Kaufpreis sei nicht auffällig hoch, außerdem seien »Eventualitäten wie mögliche Asbestbelastungen einberechnet« worden. »Es bedarf eines kleinen Gremiums, zum Beispiel aus den Koalitionsfraktionen, das auch bei Einzelfällen die Entscheidung über nötige Zuschüsse mit fällt und eine deutliche Aufwertung der Rolle der Stadtentwicklungsverwaltung«, fordert sie.
Nach nd-Informationen ist der Fall auch in der Senatssitzung am Dienstag in der Koalition diskutiert worden. Noch können die Mieter hoffen.
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