Rentner als Retter

Thomas Schaaf und Friedhelm Funkel sind im hohen Alter auf die Trainerbank zurückgekehrt, um mit Bremen und Köln den Klassenerhalt zu sichern - womöglich wird der Faktor Erfahrung im Abstiegskampf überschätzt

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Trainerausbildung in Deutschland wird gerade von Grund auf reformiert. Der beim Deutschen Fußball-Bund dafür auch mit zuständige Akademieleiter Tobias Haupt sagt: »Wir haben in den letzten zweieinhalb Jahren jeden Stein einzeln umgedreht.« Heutzutage sei der Trainer eine moderne Führungskraft, die einen großen Expertenstab koordinieren muss. Kommunikation gilt als wichtigster Faktor, das Vier-Augen-Gespräch sei für die nachkommende Trainergeneration wichtiger als die Taktiktafel, heißt es. Ist es dann ein schlechtes Zeichen, wenn Thomas Schaaf als Retter in der Not bei Werder Bremen genau jene Taktiktafel an den Trainingsplatz gestellt hat? Gewiss nicht. Der am vergangenen Wochenende kurzfristig vom Technischen Direktor wieder zum Cheftrainer der Profis beförderte 60-Jährige kündigte zugleich zahlreiche Gespräche im Trainingslager in Barsinghausen an.

Die Spieler ermuntern, positiv zu denken, steht auf seiner Agenda ganz oben. Aber trifft der Trainer Thomas Schaaf, zwischen 1999 und 2013 bei seinem »Herzensverein« im Amt, jetzt noch den Ton der Zeit? Seine letzte Rettermission 2016 bei Hannover 96 ging grandios schief. Neun Niederlagen in zehn Rückrundenspielen, dann war schnell und vorzeitig wieder Schluss - und seitdem hat die Trainerikone von der Weser nicht mehr in der Bundesliga gearbeitet. Im Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach geht es an diesem Sonnabend für die auf den Relegationsplatz abgerutschten Bremer darum, nicht auf den direkten Abstiegsplatz zurückzufallen.

Vielleicht ein gutes Omen: Vor einem Jahr gelang mit einem furiosen 6:1-Sieg gegen den 1. FC Köln am letzten Spieltag noch der Sprung auf Rang 16 - und dann die Rettung über die Relegation. Die Rheinländer waren damals bereits gesichert und Markus Gisdol noch ihr Trainer. Nun hat dort Friedhelm Funkel seit fünf Wochen das Sagen. Sein bei Fortuna Düsseldorf vor 14 Monaten verkündeter Abschied aus dem Profifußball war eben doch nicht endgültig. Der 67-Jährige kann offenbar nicht ohne den Nervenkitzel Bundesliga. Ihn elektrisiert förmlich die Aufgabe, den Traditionsverein mit einem Sieg gegen den bereits als Absteiger feststehenden FC Schalke 04 noch in der Liga zu halten.

Seine Ansage im Schloss Bensberg, wo sein Klub das Quarantäne-Trainingslager aufgeschlagen hat: »Wir haben in fünf Spielen sechs Punkte auf Bremen aufgeholt und einen auf Bielefeld. Dieser Punkt sorgt dafür, dass Bielefeld jetzt in Stuttgart gewinnen muss.« Funkel, ohnehin mit einem ansteckenden Hang zur Zuversicht gesegnet, gibt den Optimisten: »Wir können absteigen - aber das werden wir nicht. Es kann die Relegation werden.« Und dann wäre es doch gelacht, wenn der Klub sich nicht gegen Greuther Fürth, Holstein Kiel oder den VfL Bochum durchsetzt. Auch der Altmeister Funkel, der gefühlt fast jeden Verein in Deutschland trainiert hat und mehrfach auf- und abgestiegen ist, setzt darauf, seinen Spielern in vielen Einzelgesprächen Selbstvertrauen einzuimpfen.

Dass sich die »Trainer-Rentner« Schaaf und Funkel in einem kuriosen Fernduell gegenüberstehen, ist die passende Pointe einer Spielzeit, die von wilden Rochaden auf den Trainerbänken der ersten Liga geprägt war. 13 Fußballlehrer mussten schon ihren Stuhl räumen. Und da sind die zur neuen Saison gegen hohe Ablösesummen verabredeten Wechsel von Julian Nagelsmann, Adi Hütter und Marco Rose gar nicht mitgerechnet.

Bremen und Köln setzen auf den kurzfristigen Faktor Erfahrung. Dabei gibt auch das keine Garantie, womöglich wird dieser Aspekt am Ende sogar überschätzt: Bei Zweitligist Hamburger SV hielt die Aufbruchsstimmung unter Horst Hrubesch nur ein Spiel - dann wurde der Aufstieg unter der 70-jährigen Vereinslegende verspielt. Der 66-jährige Christian Gross scheiterte krachend auf Schalke: Nach 13 Spieltagen geholt, war nach dem 23. Spieltag die Mission beendet. Der prominenteste Fall ist Otto Rehhagel, der sich 2012 im Ruhestand überreden ließ, bei Hertha BSC anzuheuern, mit 73 Jahren. Gebracht hat es nichts. Die Berliner stiegen nach den Relegationsspielen gegen Düsseldorf ab. Ein Szenario, das auch Rehhagel-Schüler Thomas Schaaf noch ereilen könnte.

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