Die schnelle Räumung der Wohnung kann teuer werden

Rechtsstreit um Urteilsvollstreckung

  • Lesedauer: 3 Min.

Für die meisten Rechtsstreitigkeiten gibt es die Möglichkeit, ein Urteil durch eine weitere Instanz überprüfen zu lassen. Aus diesem Grund sind Urteile in der 1. Instanz nur vorläufig vollstreckbar. Erst wenn keine Rechtsmittel mehr zulässig sind, wird das Urteil rechtskräftig.

Aber was passiert, wenn aus einem erstinstanzlichen Urteil die Vollstreckung betrieben wird und dieses Urteil in 2. Instanz wieder aufgehoben wird? Besonders heikel sind beispielsweise die Fälle, in denen nicht aus einem Zahlungsurteil vollstreckt wird und in denen der Betrag später einfach zurückerstattet werden kann. Was, wenn vielmehr Fakten geschaffen wurden, die sich in der Folge einfach nicht mehr rückgängig machen lassen.

Zu denken ist hier insbesondere an die Räumung einer Wohnung. Hier entstehen in der Regel für beide Seiten endgültige Konsequenzen. Denn es kann nicht erwartet werden, dass der betroffene Mieter für die Zeit zwischen dem erstinstanzlichen und dem zweitinstanzlichen Urteil nur eine vorübergehende Lösung als Wohnraum findet, so dass er gegebenenfalls in die alte Wohnung zurückkehren könnte. Meist ist bereits eine andere Wohnung angemietet, ebenso hat oftmals der Vermieter bereits mit anderen Mietern einen anderen Mietvertrag über die streitgegenständliche Wohnung abgeschlossen.

Mit den Konsequenzen einer solchen Situation hat sich das Landgericht Berlin (Urteil vom 1. Dezember 2020, Az. 65 S 4/17) auseinander gesetzt. Auf diese Entscheidung verweist die Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien im Deutschen Anwaltverein (DAV). Die Rechtsexperten raten zur Vorsicht bei der Vollstreckung eines noch nicht rechtskräftigen Räumungsurteils.

Denn sollte ein solches Urteil in der zweiten Instanz aufgehoben werden, ist der Vermieter, welcher bereits vollstreckt hat, gegenüber dem Mieter schadenersatzpflichtig. Und das kann erheblich sein. Der Vermieter hat in einem solchen Fall die Differenz zwischen der bisherigen und der neuen Miete zu ersetzen, wenn die Wohnung nach Ausstattung, Zuschnitt, Lage und Größe mit der bisherigen Wohnung vergleichbar ist. Der Mieter ist also in einem solchen Fall so zu stellen, als ob der Schaden (nämlich die im Nachhinein als nicht rechtens festgestellte Räumung) nicht eingetreten wäre.

Etwas anderes gilt nur, wenn die beiden Wohnungen nicht vergleichbar sind und die erhöhte Miete auf einem höheren Wohnwert beruht. Hier kann jedoch ein anteiliger Schadenersatz in Betracht kommen, wenn beispielsweise bei einer grundsätzlich vergleichbaren Wohnung zum einen der Preis pro Quadratmeter höher liegt und zusätzlich eine größere Fläche angemietet wurde.

Bei einer Wohnungsräumung aus einem nicht rechtskräftigen Titel sollte daher gut abgewogen werden, ob man dieses Risiko eingehen will. Wenn nämlich auch nach dem Urteil regelmäßige Mietzahlungen erfolgen, kann der Vermieter gut beraten sein, die Rechtskraft eines Räumungstitels abzuwarten. DAV/nd

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