Werbung

Mietenwahnsinn, Pendlerwahnsinn

Andreas Fritsche über Wegzüge aus Berlin nach Brandenburg

Als ich vor 16 Jahren im Bezirk Pankow umgezogen bin, weil die kleine Zwei-Raum-Wohnung für drei Personen zu eng wurde, bin ich zu Wohnungsbesichtigungen gegangen, zu denen nur eine Handvoll Leute erschienen ist. Für die Wohnung, die es dann geworden ist, gab es nur zwei Bewerber. Seitdem haben sich die Verhältnisse grundlegend geändert. Erst standen bei Wohnungsbesichtigungen im Kiez bis zu 150 Menschen Schlange. Jetzt habe ich so etwas schon jahrelang nicht mehr gesehen. Es scheint fast gar keine Besichtigungen mehr zu geben. Wer so glücklich ist, ein Quartier gefunden zu haben, gibt es nicht mehr auf. Etwas anderes findet er oder sie sowieso nicht mehr, geschweige denn etwas Bezahlbares.

Insofern überrascht es mich nicht, dass es in Berlin erstmals seit 20 Jahren mehr Wegzüge als Zuzüge gegeben hat und dass die Bevölkerungszahl der Hauptstadt leicht gesunken ist, während sie in Brandenburg steigt. Wenn die Kinder erwachsen sind, eine Familie gründen und sich eine eigene Wohnung suchen, dann müssen sie raus nach Brandenburg, und zwar ganz weit raus - denn im direkten Umland Berlins sind Wohnungen mindestens genauso knapp und oft sogar noch teurer als in der Hauptstadt.

Das ist der Mietenwahnsinn, und er hat einen Pendlerwahnsinn zur Folge. Es mag diejenigen geben, die sich von der herrlichen Natur in der Uckermark oder im Oderbruch angezogen fühlen. Die Frage ist nur, wann der Berufspendler wie viel Zeit hat, diese Natur zu genießen. Zunächst einmal verschenkt er montags bis freitags viele wertvolle Stunden Lebenszeit, die er im günstigsten Fall in vollen Pendlerzügen verbringt und dort wenigstens noch die Zeitung oder ein Buch lesen kann und die er im schlimmsten Fall mit seinem Auto im Stau steht.

Ich hatte mit meiner Vermieterin bislang Glück. Ich zahle zwar deutlich mehr als vor 16 Jahren, aber vor allem wegen der Betriebskosten. Die Kaltmiete wurde mir nur vergleichsweise moderat erhöht. Wenn ich aber höre, was andere in der Gegend bezahlen müssen, wird mir schwindelig. Das könnte ich mir nicht leisten. Es wird Zeit, dass endlich Schluss damit ist, dass mit der Miete Rendite gemacht wird.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal