• Berlin
  • Kieztheater »Verlängertes Wohnzimmer«

Drama ohne Ende

Für kleine Kieztheater wie das »Verlängerte Wohnzimmer« bleibt die Lage trotz Lockerungen prekär

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

In die Erleichterung von Lena Liedtke mischt sich weiterhin Besorgnis. »Wir sind finanziell noch immer sehr geschwächt«, sagt die ehrenamtlich Theater-Engagierte dem »nd«. Noch vor wenigen Wochen war Liedtke zusammen mit anderen Vereinsmitgliedern, mit denen sie das Kieztheater »Verlängertes Wohnzimmer« an der Frankfurter Allee in Friedrichshain betreibt, davon ausgegangen, dass der Mitgliederverein die Türen der kleinen Spielstätte nach über zehn Jahren dauerhaft schließen muss.

»Wir standen bereit, um unsere Schränke auszuräumen«, erinnert sich die 27-Jährige, die hauptberuflich als Medien- und Kommunikationsfachfrau arbeitet. »Aber am nächsten Tag war die Stimmung dann wieder mutiger, und wir haben gedacht: Wir geben erst auf, wenn es wirklich vorbei ist«, berichtet Liedtke. »Fünf vor zwölf« sei es gewesen, denn der Lockdown hatte länger gedauert als gedacht - und man hatte mit den vorhandenen Rücklagen nur bis Ostern sehr knapp kalkuliert (»nd« berichtete).

Zum Glück kam dann doch noch Hilfe über Spenden, und der Vermieter des Gebäudes erließ dem Verein zwei Monatsmieten. »Er ist uns da sehr entgegengekommen«, sagt Lena Liedtke dankbar. Weniger Unterstützung gab es für die kleinen Spielorte hingegen von der Berliner Politik. »Ich bin schon maßlos enttäuscht«, gibt sie zu. »Dass es uns noch gibt, ist kein Verdienst der Stadt Berlin.« Man fühle sich »ungesehen und übersehen«, weil die Hilfen zur Bewältigung der Coronakrise nicht für ehrenamtlich betriebene Vereine vorgesehen waren.

»Wir können die Einbußen nicht so leicht wettmachen wie die großen Häuser, in die die Leute auch gehen, wenn die Tickets teurer werden«, erklärt die Theaterliebhaberin. Zöge man hingegen im kleinen Kieztheater die Preise an, »dann würde niemand mehr kommen«, glaubt Liedtke. Außerdem, und das ist ihr wichtig: »Kultur soll doch für alle da sein und kein Vermögen kosten.«

Deshalb ist es auch noch keinesfalls sicher, dass es das kleine Friedrichshainer Theater wirklich durch das Jahr schaffen wird, zumal spätestens zum Herbst hin wieder steigende Infektionszahlen erwartet werden. Auch bei den 30 Vereinsmitgliedern, die für die Aufrechterhaltung des Betriebs sorgen, gibt es Sorge angesichts mangelnder Impftermine oder der Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe. Und: »Wir können drinnen nach wie vor nur vor 17 statt 90 Leuten spielen«, berichtet Liedtke - kommt dann aber doch noch ins Schwärmen.

Denn die Rückkehr des Publikums in den Zuschauerraum, wenn es auch nicht in großer Anzahl erscheinen kann, hat den Aktiven sehr gutgetan. »Die Leute haben Lust auf Theater, sie wollen aktiv sein, und das ist sehr schön für uns«, freut sich die Friedrichshainerin und sieht den kommenden Wochen dann doch optimistisch entgegen.

Auch das »Theater unterm Dach« hat im Juni gleich drei analoge Premieren zu feiern, berichtet der neue Leiter Thorsten Schlenger. Das »TuD« musste als kommunale Spielstätte zwar keine Schließung befürchten, aber für die Künstler*innen und spielenden Gruppen seien doch nicht aufzuholende finanzielle Schieflagen entstanden, erklärt Schlenger. Man habe versucht, ihnen Proberäume und -zeiten zur Verfügung zu stellen, auch digitale Premieren fanden statt.

»Es hat uns nicht so hart getroffen, aber ich befürchte generell, dass man erst im kommenden Jahr die tatsächlichen Folgen absehen kann«, meint der Theaterleiter. Jetzt würden noch einige Hilfe greifen, aber wenn diese wegfallen, zeige sich wohl erst das eigentliche Ausmaß der befürchteten Schließungen. Es sei ein »Spiel auf Zeit«.

Am Wochenende 2. bis 4. Juli wird im Theater »Verlängertes Wohnzimmer« auf Spendenbasis ein buntes »Gala-Programm« unter anderem mit der Singer-Songwriterin Paula Linke zu sehen sein. Frankfurter Allee 91

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