Die Burg der Chinesen

Die deutsche Wirtschaft ist eng mit der Volksrepublik verbunden. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Hamburger Hafen

  • Hermannus Pfeiffer, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Hamburg ist Pekings Tor zum europäischen Markt. Mittlerweile haben sich laut Handelskammer mehr als 500 chinesische Unternehmen an der Elbe angesiedelt. Chinas Generalkonsulat in Hamburg betreut neben Abertausenden Touristen über 40 000 Landsleute, die im Norden arbeiten. Das sind zehn Mal so viele, wie Engländer in der traditionell anglophilen Hansestadt leben.

Dreh- und Angelpunkt ist der drittgrößte Hafen Europas. Durch seine zentrale Lage und sein logistisches Netzwerk ist er vor allem mit Nord- und Mitteleuropa sowie Russland eng verbunden. Jeder dritte Standardcontainer (TEU), der hier über die Kaikante geht, hat sein Ziel oder seinen Ursprung im Reich der Mitte - in diesem Jahr dürften im Chinaverkehr drei Millionen TEU umgeschlagen werden. Für eilige Güter setzt Pekings Initiative »Neue Seidenstraße« zudem auf den Landweg. Hamburgs Bahnkorridor reicht inzwischen bis an die chinesische Ostküste.

Der Verein Hafen Hamburg Marketing spricht von einer »Top-Partnerschaft«. In Politik und Wissenschaft werden aber gelegentlich kritische Stimmen laut, die auf die große Abhängigkeit hinweisen. Dabei ist es erst zwei Jahrzehnte her, da rangierte die Volksrepublik noch unter ferner liefen. Erst die wirtschaftliche Revolution, die der Generalsekretär der Kommunistischen Partei, Xi Jinping, 2013 mit der »Neuen Seidenstraße« einleitete, brachte China an die Spitze. 2020 wurden Waren im Wert von mehr als 115 Milliarden Euro aus der Volksrepublik importiert - fast doppelt so viele wie aus den USA -, vor allem über den Hamburger Hafen.

Auch als Firmenkäufer ist China mittlerweile präsent. »Die Corona-Pandemie hält chinesische Unternehmen nicht von Investitionen in Europa ab«, zeigt eine Umfrage von Ernst & Young. Sie wollen damit an technologisches Know-how kommen, ihre Forschungskapazitäten verbessern, ihre Produktpalette erweitern oder einen besseren Zugang zum europäischen Markt erlangen. Insbesondere Deutschland ist ein begehrtes Ziel für chinesische Käufer, weit vor Großbritannien und Frankreich.

Als der chinesische Midea-Konzern 2016 die Mehrheit an der Augsburger Kuka AG, einem führenden Anbieter in Sachen Robotik, übernahm, schreckte die Politik auf. In mehreren Schritten, zuletzt im Mai mit der 17. Novelle der Außenwirtschaftsverordnung, zog die Bundesregierung die Zügel bei ausländischen Investitionen an. Von einem Ausverkauf deutscher Firmen sind wir aber weit entfernt: Chinesische Eigentümer liegen mit 274 deutschen Unternehmen gerade mal auf dem zehnten Rang. Mit Abstand führend sind US-Amerikaner mit 1843 Unternehmen.

Umgekehrt ist China ein wichtiger Abnehmer deutscher Produkte. So exportiert der Hamburger Bonbonhersteller Cavendish laut Firmenangaben 20 bis 30 Prozent seiner Süßwaren nach China. Selbst Fleisch- und Käseproduzenten setzen zunehmend auf eine halbe Milliarde chinesischer Verbraucher, die sich mehr oder weniger an westlichen Lebensgewohnheiten orientieren. Mit Waren im Wert von über 95 Milliarden Euro ist China nach den USA das zweitwichtigste Exportziel.

Dies spiegelt allerdings nur einen Teil der Wirklichkeit wieder. Autoindustrie, Chemie und Maschinenbau, also die deutschen Vorzeigebranchen, produzieren längst auch vor Ort. China ist beispielsweise der mit Abstand größte ausländische Produktionsstandort der deutschen Autokonzerne. Erstmals im Jahr 2019 hatten deutsche Hersteller deutlich mehr Pkw in China als in den heimischen Werken produziert. Was manchmal heikel wird: So musste VW-Chef Herbert Diess wiederholt den Standort in Urumqi, Hauptstadt der Region Xinjiang und Heimat der muslimischen Uiguren, rechtfertigen.

BASF-Chef Martin Brudermüller plant derzeit mehrere Großinvestitionen. Allein neun Milliarden Euro werden in eine High-Tech-Anlage in der Provinz Guangdong gesteckt, um Kunststoffe zu produzieren - die größte Einzelinvestition in der 150-jährigen Firmengeschichte.

Fast 100 Milliarden Euro haben deutsche Investoren laut Bundesbank in mehr als 2000 Firmen in China angelegt. Und dabei soll es nicht bleiben: Nach siebenjährigen Verhandlungen erzielten die Europäische Union und die Volksrepublik im Dezember eine grundlegende Einigung über ein umfassendes Investitionsabkommen. Dies soll nach dem Willen der Bundesregierung im ersten Halbjahr 2022 die parlamentarischen Hürden nehmen. Was auch die Hafenlobby in »Han Bao« (»Burg der Chinesen«) optimistisch stimmt. So heißt Hamburg auf Chinesisch.

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